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"Mit Fredi Bobic bin ich überhaupt nicht zurechtgekommen..."
Burkhard Reich gewann mit dem BFC Dynamo zweimal die Meisterschaft in der DDR, ehe er kurz nach dem Mauerfall zum Karlsruher SC wechselte, wo er eine Ära mitprägte. Er spielte gegen die ganz Großen wie Totti, Zidane oder Weah. Mit uns hat er ausführlich über seine Karriere gesprochen.
von Alex Bauer
Sie sind als Jugendlicher von dem Vorzeigeclub BFC Dynamo wieder zurück in Ihre Geburtsstadt Fürstenwalde gewechselt und als junger Erwachsener dann wieder zum BFC zurückgekehrt. Was waren ihre Beweggründe?
Es hat mir nicht mehr so wirklich behagt in der zehnten Klasse, war verletzt und Teil des jungen Jahrgangs dieser Jugend. Daher wollte ich dort nicht mehr weitermachen, auch wenn mich der BFC Dynamo dort schon gerne behalten hätte, was nicht selbstverständlich war, da nach der zehnten Klasse noch einmal Spieler aussortiert wurden.
Ihre ersten professionellen Erfahrungen im Fußball haben Sie ja noch in der ehemaligen DDR gemacht. Können Sie uns kurz die aus Ihrer Sicht größten Unterschiede zwischen DDR Oberliga und Bundesliga erläutern?
Die Unterschiede waren gar nicht so groß, obwohl man gedacht hat, dass die Spieler in der Bundesliga deutlich besser waren. Wenn ich die Rahmenbedingungen vergleiche, dann war es in Berlin schon sehr professionell. Als ich nach Karlsruhe gewechselt bin, war das Stadion gerade im Umbau und ich war überrascht, wie dort die Rahmenbedingungen waren. Wenn ich es vergleichen soll, dann empfand ich die Bedingungen in Berlin zu der Zeit besser. Fußballerisch habe ich mich auch recht schnell an die Bundesliga gewöhnen können. Die ersten Spiele habe ich noch aufgrund einer Verletzung verpasst, aber danach wurde ich von Winfried Schäfer ins kalte Wasser geworfen und ich konnte mich als Stammspieler etablieren.
Als junger Spieler haben Sie auch Auswahlspiele für die DDR gemacht. Wie sehr hat es geschmerzt, nie für die gesamtdeutsche Auswahl berufen zu werden?
Ich war mal bei einem Lehrgang der Nationalelf dabei, aber es hat da leider nicht gereicht. Die Konkurrenz war zu dieser Zeit auch, mit beispielsweise Jürgen Kohler, sehr hoch. Geschmerzt ist deshalb eigentlich nicht der richtige Ausdruck. Man wäre mit Sicherheit gerne mal berufen worden, aber so richtig geschmerzt hat es nicht.
1991 sind Sie nach Karlsruhe gewechselt und mit dem KSC ist Ihr Name für Fußball Deutschland auch fest verbunden. Erzählen Sie doch bitte mal, wie der Kontakt zustande kam und welche Angebote Sie noch erhalten haben. Was war schlussendlich ausschlaggebend dafür, dass es der KSC sein sollte?
Zu dieser Zeit gab es ja keine richtigen Berater, aber es gab jemanden in Berlin, der den damaligen KSC-Manager Calli Rühl gut kannte und den Kontakt hergestellt hat. Ich wurde dann auch von Calli Rühl in Berlin besucht und beim Spielen beobachtet. Relativ geheim bin ich dann im März nach Karlsruhe geflogen und habe mir alles angesehen. Es gab auch Angebote aus Dresden und Rostock, aber Karlsruhe war einfach mal was ganz anderes und daher wollte ich das einmal ausprobieren. Bis jetzt habe ich es auch noch nicht bereut, auch wenn ich damals nicht gedacht hätte, dass ich hier mal länger wohne, als irgendwo anders.
Sie durften mit einigen bekannten Fußballern beim KSC gemeinsam spielen. Mehmet Scholl, Jens Nowotny oder Oliver Kahn waren nur einige davon. Wer war für Sie der beste Fußballer, mit dem Sie in Ihrer Karriere zusammenspielen durften und was hat Sie bei demjenigen am meisten beeindruckt?
Es waren ja einige gute Kicker dabei. Ich möchte hier exemplarisch zwei benennen. Zum einen Oliver Kahn mit seinem unbändigen Ehrgeiz, der ihn sehr weit gebracht hat. Und natürlich noch Icke Häßler, der ein grandioser, begnadeter Fußballer war. Zwei außergewöhnliche Spieler, Menschen und Typen.
Im gleichen Zug würde mich noch interessieren, welchen Gegenspieler Sie als den stärksten, bzw. unangenehmsten empfunden haben und in welches Stadion Sie nur ungern gereist sind mit Ihrer Mannschaft?
Ich weiß gar nicht ob wir in Stuttgart überhaupt einmal gepunktet haben zu meiner Zeit als Spieler. Da passt auch, dass ich mit Fredi Bobic überhaupt nicht zu Recht gekommen bin auf dem Platz. Warum weiß ich gar nicht, aber ich würde ihn deshalb als den unangenehmsten Gegenspieler bezeichnen und Stuttgart als Stadion benennen.
Sie waren auch Teil der legendären KSC-Mannschaft, die im UEFA Cup auch dank „Euro-Eddy“ für Furore gesorgt hat. Beschreiben Sie doch noch einmal kurz die Welle der Euphorie, die Sie getragen hat, auch wenn Sie gegen Valencia gefehlt haben.
Das war eine super Zeit und in der ersten Runde waren wir krasser Außenseiter, den ich als stolzer Kapitän aufs Spielfeld führen durfte. Gegen PSV Eindhoven meinten alle, wir würden in der ersten Runde ausscheiden. Als wir diese aber überstanden hatten, war die Euphorie riesengroß und die nächsten Gegner waren ebenfalls mit Valencia und Bordeaux recht namhaft. Zu dieser Zeit haben beispielsweise Bixente Lizarazu und Zinedine Zidane in Bordeaux gespielt. Dort mussten wir jedes Mal über uns hinauswachsen und wurden durch die Stimmung in und um Karlsruhe getragen. Im Halbfinale sind wir dann zum ersten Mal eigentlich nicht als Außenseiter angetreten.
Die Erfolge des KSC zu dieser Zeit waren fest mit dem Trainer Winnie Schäfer verbunden. Können Sie kurz beschreiben, welche besonderen Fähigkeiten Herr Schäfer auszeichneten.
Winfried Schäfer hat mal gesagt, dass er keine Spieler von einem Absteiger holt und das ist mir im Gedächtnis geblieben. Er hat einfach eine andere Mentalität in diese Mannschaft gebracht. Ich war es ja von Berlin gewöhnt gewesen, dass wir überall hinfahren zum Gewinnen. Aber einige Spieler hier haben gedacht, dass es Spiele gibt, in denen man eh nichts holen kann. 1992 kamen dann mit Manni Bender und Sergei Kirjakow zwei Spieler, die auch in Spitzenmannschaften gespielt haben. Manni Bender hat zusätzlich polarisiert, dies auch innerhalb der Mannschaft. Unsere Mannschaft konnte dadurch wachsen und wir haben dann bemerkt, dass wir jeden schlagen können in der Bundesliga. Für unsere Verhältnisse war das eine Top-Mannschaft. Wir hatten nicht diese Überflieger, aber eine richtig gute Mannschaft.
Was war die größte sportliche Enttäuschung in Ihrer Karriere?
In Kopenhagen haben wir im Europacup mal 3:1 gewonnen und sind durch ein 0:5 im Rückspiel ausgeschieden. Das Gleiche hatte ich ja schon einmal mit Berlin erlebt, als wir gegen Werder Bremen mit 3:0 gewonnen haben und durch ein 0:5 im Rückspiel dennoch ausgeschieden sind. Persönlich enttäuschend war sicherlich, dass ich mir 1996 in Stuttgart die Schulter ausgekugelt habe und daher im DFB-Pokalfinale gegen Kaiserslautern nicht spielen konnte.
Welcher Trainer hat Sie am meisten geprägt? Ihr Entdecker Jürgen Borgs oder doch Winfried Schäfer?
Berlin war als junger Spieler schon eine ganz harte Schule und die Bundesliga wurde auch immer als wenig freundlich beschrieben. Aber in Karlsruhe war der Zusammenhalt deutlich besser, als in Berlin. Fürstenwalde in der zweiten Liga war ähnlich schön, aber in Berlin gab es Grüppchenbildung und man hat sich gegenseitig den Erfolg nicht wirklich gegönnt. Als ich nach Karlsruhe gekommen bin wurde auch meine Frau direkt zum Kaffee trinken eingeladen und es war auf verschiedenen Ebenen sofort ein guter Zusammenhalt zu spüren. Winfried Schäfer hat mich über sieben Jahre lang begleitet und als Stammspieler hatte man bei ihm ein wirklich gutes Leben. Allerdings möchte ich auch Berlin nicht missen und habe von beiden Trainern viel mitbekommen für meine Karriere.
Sie waren als resoluter Abwehrspieler bekannt, hat dieser Eindruck getäuscht und wie würden Sie ihren Spielstil beschreiben wollen.
Hart, aber fair! Ja, das kann man so schon sagen. Ich würde mich schon als harten Abwehrspieler bezeichnen, aber niemals unfair. Da gab es auch andere Kollegen, selbst bei uns in der Mannschaft, die da ganz anders zu Werke gegangen sind.
Was hätten Sie rückblickend in ihrer Karriere anders gemacht? Gab es eventuell mal ein Angebot, das Sie hätten annehmen sollen?
Nein, das könnte ich so nicht sagen. Ich habe mich immer sehr wohl gefühlt in Karlsruhe, auch wenn der Abschied damals nicht so war, wie ich es mir vorgestellt habe. Mir wurde bereits im September oder Oktober mitgeteilt, dass man nicht mehr mit mir für die anstehende Saison plant. Daher war diese Saison auch richtig bescheiden für mich. Ich bin gependelt zwischen Auswechselbank, Tribüne, Stammspieler und Kapitän. Ich glaube in dieser Saison habe ich wirklich alles erlebt und mir war klar, dass ich so in dieser Form nicht aufhören wollte mit Fußball spielen. Ich war dann mit Waldhof Mannheim schon recht weit und dann kam das Angebot aus Leipzig. Die haben sich wirklich sehr um mich bemüht und daher bin ich dann noch für eine Saison nach Leipzig gewechselt. Ich hatte dort ein schönes Jahr, obwohl Stepanovic der mich als Trainer unbedingt haben wollte, schon im August entlassen wurde. Dann kam Achim Steffens, der ein ganz netter Kerl ist. Aber er hat nach alter Ostschule trainieren lassen und daher wurde ich mit 34 Jahren noch einmal richtig körperlich gefordert.
Recht früh nach Ihrem Karriereende sind Sie wieder nach Karlsruhe zurückgekehrt, dort bis heute sesshaft und als Funktionär für den KSC aktiv. Gab es nie den Gedanken sich auch außerhalb des Fußballs zu engagieren und einen „normalen“ Beruf zu ergreifen? Sie sind ja gelernter Elektromonteur, wäre das nichts gewesen?
Ich habe kurz vorm Karriere Ende noch Sportmanagement studiert. Die Gedanken zum Karriereende sind sehr vielfältig und ich habe ein Fernstudium zum Sportmanager gemacht und nebenbei die Trainerscheine bis zur A-Lizenz. Und natürlich habe ich darauf gehofft, dass ich nach dem Karriereende weiterhin im Fußball bleiben kann. In Leipzig ging es zu Ende und ich habe ein Angebot aus Jena erhalten, um dort als Co-Trainer anzufangen. Der damalige Trainer dort hat mal bei Winnie Schäfer in Karlsruhe hospitiert und so kam der Kontakt zustande. Parallel dazu gab es auch in Karlsruhe einen großen Umbruch. Der neue Präsident wollte ehemalige Spieler wieder vermehrt in die Vereinsarbeit einbinden und da habe ich einfach mal nachgefragt, wie es denn aussieht. Da meine Familie die gesamte Zeit über in Karlsruhe geblieben ist, war ich natürlich froh, als ich dort angestellt wurde. Auch wenn ich zu Beginn gar nicht wusste, was ich da genau machen soll. Aber ich war einfach glücklich nach meiner Karriere nahtlos den Übergang geschafft zu haben.
Sie kämpfen für die Anerkennung des Teammanager-Posten, den Sie als einer der Ersten ausgeübt und damit maßgeblich mitgeprägt haben. Beschreiben Sie doch mal ihren Alltag als Teammanager und mit welchen Dingen Sie sich rund um die Mannschaft beschäftigen.
Ich wusste gar nicht, dass ich da ein Vorreiter gewesen bin. Ich habe 2006, als die zweite Mannschaft des KSC in die Regionalliga aufgestiegen ist, den Job übernommen. 2011 unter Oliver Kreuzer wurde ich dann zu den Profis hochgezogen. Diese Position war so nicht wirklich bekannt. Alles Organisatorische rund um die Mannschaft fällt in meinen Zuständigkeitsbereich. Ob es die Auswärtsspiele sind, Testspiele, Trainingslager oder das komplette Vertragswesen, die Zusammenarbeit mit DFL und DFB, Einreichung der Unterlagen, die benötigt werden für den Spielbetrieb, alles gehört dazu. Probleme, die es rund um die Mannschaft geben kann, versuche ich ebenfalls mit zu lösen.
Sie haben die KSC-Allstars e.V. nicht nur gegründet, sondern sind bis heute der Präsident. Was war und ist Ihnen so wichtig an der Traditionsmannschaft?
Beim KSC gibt es ja auch eine AH-Abteilung, die aber ein eher stiefmütterliches Dasein hat. Es wird ihr eben keine große Bedeutung zugemessen. Ich war schon kurz unter dem Trainer Stefan Kuntz Teammanager und zu dieser Zeit mussten wir ein Ablösespiel bestreiten für einen Profi. Da kam dann die Anfrage aus Kaiserslautern, ob wir davor nicht auch mit den Traditionsmannschaften gegeneinander spielen möchten. Zu diesem Zweck habe ich zum ersten Mal eine Mannschaft aus Ehemaligen zusammengetrommelt. Da habe ich gemerkt, dass dies richtig gut angekommen ist und ich es daher gerne fortführen würde. Mit einem Freund von mir habe ich das danach als KSC-Traditionsmannschaft eine Weile fortgeführt. Der KSC hatte zu diesem Zeitpunkt kein Geld und keine anderen Möglichkeiten, uns als Mannschaft zu unterstützen. Von daher wollten wir etwas eigenes gründen, um Sponsoren generieren zu können und dem KSC noch etwas Gutes zu tun. Wir wollten Einnahmen an die Jugendarbeit des KSC spenden und deshalb haben wir den Verein gegründet, um eigenständig zu sein. Zu der Zeit stand der KSC ja kurz vorm Exodus. So mussten wir uns eigenständig finanzieren und organisieren.
Wann haben Sie zum letzten Mal selbst an den Ball getreten?
Glücklicherweise ist das noch gar nicht so lange her. Ein Ausflug hat uns im vorletzten Jahr nach Berlin zu Viktoria Berlin geführt. Viktoria Berlin war 1909 der Endspielgegner um die deutsche Meisterschaft unseres Vorgängervereins Phönix Karlsruhe. In 2018 hatte ich eine recht schwere Knie OP und seitdem konnte ich nicht mehr spielen, was mich allerdings extrem genervt hat. Ich wollte nicht immer nur auf der Bank sitzen und zuschauen. Daher habe ich mir ein Trikot geschnappt und geschaut ob es geht. Und war einfach froh, dass es gut geklappt hat.