"Beim Schlusspfiff rannte Gerry Ehrmann den Schiedsrichtern bis in die Kabine hinterher."
Hans Werner Moser spielte in der Bundesliga für den 1. FC Kaiserslautern, den Hamburger SV und die SG Wattenscheid 09. Er hat mit uns über verlorene Derbys, heiße Europapokalspiele und wütende Torhüter gesprochen.
von Mario Gailing
Hans Werner Moser, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen was du im Anschluss an deine Karriere gemacht hast und heute beruflich machst?
Nach meiner Spielerlaufbahn war mir klar, dass ich gerne im Fussballgeschäft weiter tätig sein möchte. Ich machte 1996 in Hennef meine Trainer A-Lizenz und 1998 auf der Sporthochschule Köln meinen Fußball-Lehrer. Bis heute habe ich in den ersten 5 Ligen fast 400 Spiele als Cheftrainer an der Linie gestanden, einige wenige davon beim SV Wehen-Wiesbaden als Co-Trainer absolviert. Höhepunkt, wenn auch leider nur kurz, war meine Cheftrainer-Zeit 2005, als ich die Saison für den beurlaubten Kurt Jara beenden durfte. Aber auch über 100 Spiele in der 3. Liga sind ok. Zuletzt habe ich 4 Jahre die U21 beim 1.FC Kaiserlautern trainiert. Meine Aufgabe aus dieser Mannschaft Spieler für die 1. Mannschaft auszubilden, klappte über die gesamte Zeit sehr gut. Auch von 2003 bis 2006 war ich schon in gleicher Position am NLZ in Kaiserslautern. Mein Vertrag endete diesen Sommer. Ich würde mich gerne einer neuen Herausforderung stellen.
Welche Gründe nannte dir Geschäftsführer Voigt, als der Vertrag trotz deiner erfolgreichen Arbeit nicht verlängert wurde?
Dazu muss ich leider sagen, dass ich Herrn Voigt noch nie zu einem Gespräch getroffen habe. Bei seinem Amtsantritt Anfang Dezember habe ich mich selbst nur kurz vorgestellt. Dementsprechend habe ich von ihm persönlich auch keine Informationen über meine Nichtverlängerung bekommen. Boris Notzon hat mir mitgeteilt, dass in Absprache mit Cheftrainer Boris Schommers und dem Beirat, bei neuer Rolle der U21 auch ein neuer Trainer gesucht werden soll. Stell dir vor, dass bei Bayern München ein Uli Hoeneß, oder jetzt Oliver Kahn, den zweiten Profi-Trainer im Verein nicht persönlich kennen lernen. Ein gemeinsamer Kaffee oder ein kurzes Telefonat wäre meiner Meinung nach schon angebracht gewesen.
Kommen wir zu erfreulicheren Themen. Du bist als 15-Jähriger von deinem Heimatverein in die Jugendabteilung des 1. FC Kaiserslautern gewechselt. Wie hast du deinen Tagesablauf damals organisiert? Der Betzenberg lag nicht gerade um die Ecke.
Gleich vorweg, ohne meine Eltern wäre dies damals nicht möglich gewesen. Morgens Schule, nachmittags Hausaufgaben, am Abend dann die Fahrt mit meinem Vater nach Kaiserslautern zum Training, je nach Ablauf 2-3 Stunden später wieder zurück nach Hause nach Rammelsbach. Diesen Zeitplan gab es meist sechsmal die Woche. Meine Eltern machten mir so fast 4 tolle Jugendjahre beim FCK möglich. Besonders mein Vater hat mich trotz seiner harten täglichen Arbeit in dieser Zeit bedingungslos unterstützt. Dass es dann am Ende ein Profivertrag wurde, war natürlich für uns alle eine gute Sache, aber nie ein Muss.
Noch als A-Jugendlicher durftest du 1984 mit 18 Jahren zum ersten Mal in der Bundesliga auflaufen. Was war das für ein Gefühl und wie haben Sie davon erfahren, dass Sie dabei sind?
Mein Jugendtrainer und Förderer Ernst Diehl sagte mir kurz vorm Wochenende, dass ich mit den Profis zum Auswärtsspiel nach Düsseldorf solle. Ich war begeistert dabei zu sein. Natürlich war ich zu diesem Zeitpunkt der Meinung, dass ich als Ergänzungsspieler dabei bin. Als der damalige Trainer Manfred Krafft wenige Stunden vor dem Spiel die obligatorische Teamsitzung machte, war ich sehr enttäuscht. Ich suchte meinen Namen auf der Reserveliste auf dem Flipchart vergeblich, dachte ich bin gar nicht dabei. Als ich dann aber sah, dass ich von Beginn an dabei sein sollte, neben Hellström, Brehme, Briegel, Geye, Allofs usw., wurde ich doch ein bisschen nervös. Alles ging gut, wir haben 5:1 gewonnen. Ich glaube, es war für mich ein richtungsweisendes Spiel. Bis heute unvergessen.
Die Altersgrenze wurde gerade auf 16 Jahre abgesenkt. Findest du diese Regelung gut, um junge Spieler frühzeitig zu fördern oder für gefährlich, da sie jetzt noch früher dem Leistungsdruck und der Öffentlichkeit ausgesetzt sind? Welche Erfahrungen hast du diesbezüglich in deiner Anfangszeit gemacht?
Ich glaube damals mit 18 Jahren war für mich der richtige Zeitpunkt, um das erste Spiel zu machen. Ich hatte Leute um mich herum, besonders Ernst Diehl, die genau wussten auf welchem Niveau ich zu diesem Zeitpunkt spielen konnte. Ich wurde also nicht verheizt, sondern mit viel Vorlauf und bester Vorbereitung eingesetzt. Ich denke, nicht allein das Alter bestimmt so eine Entscheidung, sondern gemeinsame Entscheidungen mit dem Spieler, ob man es ihm schon zumuten kann, seine Leistung in der besten Liga abzurufen und vor allen Dingen, ob er dem Druck von außen schon standhalten kann. Ich hoffe, dass es Fachmänner gibt, die auch zu einem zu frühen Start in die Bundesliga mal nein sagen können.
Mit 19 Jahren warst du dann schon unumstrittener Stammspieler beim FCK. Wie groß war die Gefahr bei dir, dass dir dieser rasante Erfolg zu Kopf steigt? Wer aus deinem Umfeld hielt dich auf dem Boden?
Ja, ich war von Beginn an Stammspieler und bin das im Grunde dann auch in 10 Bundesligajahren bei drei Vereinen geblieben. Ich bin in einer wunderbaren Familie groß geworden, hatte klasse Eltern und tolle Geschwister. Die haben schon alle darauf geachtet, dass der kleine Werner nicht übermütig wird. Außerdem mussten wir die Mark zweimal umdrehen, bevor wir sie ausgaben. Es hat uns nie an was gefehlt, aber wir haben auch den großen Aufwand unserer Eltern erlebt. Da gab es auch noch Trainer und beste Freunde, die einem auch mal etwas Unangenehmes gesagt haben. Ich denke, die Gefahr, dass ich abhebe war sehr begrenzt. Ernst Diehl hat uns Spielern schon in der Jugendzeit vieles im zwischenmenschlichen Bereich beigebracht. Unter anderem, dass man sich als Spieler niemals schlecht zu den Fans äußert, die ihr letztes Geld dem Verein geben. Er hat uns im Endeffekt neben unseren Eltern miterzogen.
Kannst du dich an dein erstes Profigehalt erinnern?
Sicher. Es war natürlich noch nicht das große Paket, aber mir war damals bewusst, dass das nicht selbstverständlich war. Es war damals nicht das Geld, sondern der Profivertrag, der über allem stand. Die Chance auf dem Berg zu spielen, wo ich seit 1972 Stammgast in der Westkurve war.
Plötzlich warst du mit Ronnie Hellström, Andreas Brehme und Hans-Peter Briegel in der Kabine.
Wie wurdest du als Jungspund von den Stars der Mannschaft aufgenommen?
Wir jungen Spieler hatten großes Glück mit den erfahrenen Spielern damals. Wenn man sich ordentlich verhalten hatte in der Kabine, gab es keine Probleme. Den Respekt hat man sich dann im Training, noch besser im Spiel erarbeitet. Schnell Stammspieler zu sein, hat damals sehr geholfen.
Die Gegenspieler hießen nun Völler, Matthäus, Kaltz oder Littbarski. Warst du cool, als es gegen solche Größen des deutschen Fußballs ging oder deutlich nervöser, als noch in der A-Jugend?
Die Anspannung war ohne Frage größer. Aber ich fühlte mich vorbereitet und brachte meine Stärken auf den Platz. Die Routine kam im Laufe der Spiele dazu. Es war aber verrückt plötzlich gegen Spieler anzutreten, die man nur aus TV oder Presse kannte.
Du warst im wohl legendärsten Derby zwischen dem FCK und dem SV Waldhof Mannheim 1986 auf dem Platz, als Mannheim 4:3 gewann, obwohl es zwei Elfmeter verschoss. Ausgerechnet der Namensvetter der absoluten FCK-Ikone, Fritz Walter, erzielte alle vier Waldhof-Treffer. Welche Erinnerungen hast du an dieses Spiel?
Wahnsinn, Wahnsinn. Eigentlich machten wir ein gutes Spiel, am Ende haben wir aber spektakulär verloren. Viele Elfmeter, harte Zweikämpfe, es ging hin und her. Sergio Allievi machte noch das 4:4, das aber, aus bis heute unbegreiflichen Gründen, nicht anerkannt wurde. Beim Schlusspfiff rannte Gerry Ehrmann den Schiedsrichtern bis in die Kabine hinterher. Ich weiß bis heute nicht, ob die immer noch hinter der verschlossenen Kabinentür sitzen. Das Loch, welches Gerry in die Kabinentür geschlagen hatte, ist inzwischen aber nicht mehr drin. Davon habe ich mich bei einem Spiel im Südweststadion mit meiner U21 vor einigen Jahren selbst überzeugt, auch wenn sich ansonsten nicht viel in dem Stadion verändert hat.
Fiebert man als Spieler einem solchen Derby genauso entgegen wie die Fans oder sieht man es als ganz normalen „Arbeitstag“?
Derbys sind schon immer etwas Besonderes. Für uns Spieler am Spieltag sicher aufregend, für die Fans die ganze Woche über und noch länger ein brisantes Thema. Ich glaube, wir Spieler sind mit den Derbys am Ende etwas lockerer umgegangen, als die Fans.
1988 bist du zum Hamburger SV gewechselt. Warum wolltest du weg aus Kaiserslautern und wie kam der Kontakt zustande?
Eins vorweg, ich wollte unbedingt in Lautern bleiben und habe dies auch den Verantwortlichen so gesagt. Ich hatte aber mehrmals den Eindruck, wie übrigens auch schon bei der Vertragsverlängerung zwei Jahre vorher, dass man mit mir wie mit einem Jugendspieler spricht, obwohl ich vier Jahre Stammspieler war. Nachdem man so nebenbei den Vertrag verlängern wollte, habe ich dann doch die Option eines Vereinswechsels ins Auge gefasst. Damals gab es einige interessierte Vereine. Felix Magath vom HSV hat mir dabei die beste Perspektive geboten. Kaiserslautern steckte sich damals mit 1,2 Mio. DM eine große Ablösesumme für einen jungen Verteidiger ein und das bei auslaufendem Vertrag. Damals eine enorm hohe Ablöse.
Hast du dich im Nachhinein geärgert, dass du den FCK verlassen hast? Wenn du den Vertrag damals verlängert hättest, wärst du heute Pokalsieger und Deutscher Meister.
Ich habe mich total gefreut für meinen Club, stehe aber bis heute zur alternativlosen Entscheidung von damals. Gerne wäre ich dabei gewesen, keine Frage. Allerdings wäre mir auch lieber gewesen, dass mein FCK auch stets in der Bundesliga bleibt und die Jahre danach nicht abgestiegen wäre.
Beim Hamburger SV warst du auf Anhieb Stammspieler und hast UEFA-Cup gespielt, wo ihr gegen Juventus Turin fast die Sensation geschafft hättet. Mit wieviel Hoffnung seid ihr nach der 0:2-Niederlage aus dem Hinspiel nach Turin gefahren?
Wir durften aufgrund des 4. Platzes im UEFA-Cup spielen. Da hätten wir beinahe in Turin nach der Heimniederlage noch die Sensation geschafft. Wir hatten eine Mannschaft, mit der alles möglich war. Wir wussten, dass es an einem guten Tag möglich sein könnte in Turin zu gewinnen. Auch wenn es ganz knapp nicht klappte, war es ein tolles Erlebnis, genau wie in der Runde zuvor gegen den FC Porto.
In deiner zweiten Saison beim HSV lief es nicht mehr ganz so gut. Es ging gegen den Abstieg und du bist im Anschluss zum Bundesliga-Aufsteiger SG Wattenscheid gewechselt. Worin lagen die größten Unterschiede zwischen einem großen Verein wie dem HSV und dem „kleinen“ Aufsteiger SG Wattenscheid?
Stimmt. Wir spielten keine gute Saison und waren am Ende froh, die Klasse gehalten zu haben. Ich versäumte einige Spiele nach einer Hüft-OP. Insgesamt mit Trainerwechsel kein gutes Jahr in Hamburg. Mit Aufsteiger Wattenscheid traf ich auch meinen alten Trainer aus Kaiserslautern wieder, Hannes Bongartz. Der suchte erfahrene Spieler, die mit Wattenscheid den Klassenerhalt realisieren konnten. Uwe Neuhaus, Frank Hartmann, Sammy Sane und meine Wenigkeit mussten als etablierte Spieler noch mehr Verantwortung übernehmen. Das gelang uns in einem familiären Verein lange Zeit gut. Fangemeinde, Mannschaft und Verein waren sich einig, dass es nur gemeinsam geht. Die Drucksituation war lange nicht so groß wie beim HSV. Die Erwartungshaltung in Hamburg ist natürlich viel größer als in Wattenscheid. In Wattenscheid war Bundesliga absolutes Neuland und die Freude auf jedes Spiel bei den Fans riesengroß. Es war noch mehr möglich, aber vier Jahre Bundesliga in Wattenscheid zu spielen, war ein Erfolg für den Verein und den VfL Bochum haben wir auch noch etwas geärgert.
Nach fünf Jahren bei Wattenscheid hast du noch ein Jahr in der Regionalliga beim SC Verl gespielt, wo du deine Karriere beendet hast. Würdest du im Nachhinein sagen, dass du alles richtig gemacht hast oder gibt es Dinge, die du heute anders machen würdest?
Ich bin damit zufrieden mit 28 Jahren in 10 Bundesligajahren 281 Spiele gemacht zu haben. Darüber zu meckern ist nicht mein Ding. Dass eine schwere Hüftverletzung weitere Jahre und Spiele in der Bundesliga verhindert haben, konnte ich nicht ändern. Vielleicht würde ich heute etwas selbstbewusster auftreten im Spiel und mehr Verantwortung übernehmen. Vielleicht hätte ich mich in manchen Situationen auch klarer äußern oder klarer meine Meinung vertreten müssen. Aber ich habe mich eher zurückgezogen und mir meinen Teil gedacht. Da haben andere außerhalb des Platzes schon mehr Ellenbogen gezeigt. Eventuell war dies neben meiner schweren Verletzung ein Grund, warum ich mir meinen Traum von einem A-Länderspiel nicht erfüllen konnte.
Welche Spieler haben dich besonders beeindruckt?
Spieler, die Jahr für Jahr Leistung für ihre Clubs brachten. Spieler, die sich nicht für unersetzlich gehalten haben und wussten, dass sie für das Spielen bezahlt werden, nicht fürs Sprüche klopfen. Kohler, Thon, Schupp, von Heesen, Jakobs waren beispielsweise solche Spieler.
Gegen welchen Stürmer hast du gar nicht gerne gespielt und hattest du auch einen Lieblingsgegenspieler?
Schwierig zu sagen. Wirklich einfache Gegenspieler gibt es in der Bundesliga nicht. Gegen Frank Mill habe ich gerne gespielt, weil es immer hart zur Sache ging. Nach dem Spiel war es aber vergessen. Olaf Thon war unangenehm zu spielen, besonders als er noch in einer offensiveren Rolle spielte. Damals gab es noch im Gegensatz zu heute diese Sonderaufgaben. Es war natürlich toll gegen Thon, Klinsmann, Lerby, Buncol, Lienen, Wohlfahrt, Häßler, Magath, von Heesen usw. zu spielen. Man musste immer gut vorbereitet sein, um zu bestehen.
Hattest du auch ein Vorbild?
Als Vorbild im Fußball gab es nur Ernst Diehl. Er war langjähriger Kapitän beim FCK, Jugendtrainer, Cheftrainer und Co-Trainer. Er hat nicht nur mich, sondern viele junge Spieler auf den Weg gebracht. Eine echte Ikone in Kaiserslautern. Er hat meinen Weg nach meinen Eltern und meinen Geschwistern Martina und Michael am meisten zum Positiven beeinflusst. Außerdem kommen wir beide aus der gleichen Region, nicht weit vom Betzenberg entfernt.
Wen würdest du als deinen besten Trainer bezeichnen?
Das ich Ernst Diehl viel verdanke habe ich wiederholt gesagt, ansonsten habe ich bei jedem Trainer versucht etwas Gutes mitzunehmen. Also mit dem jeweils aktuellen Trainer bestmöglich arbeiten in guten und schlechten Zeiten.