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Interview mit Sepp Stabel

"Plötzlich hat mir der Ehemann eine Pistole unter die Nase gehalten."

Josef "Sepp" Stabel spielte beim 1. FC Kaiserslautern im Tor, als es noch keine Torwarthandschuhe gab. Sein Kontrahent im Tor war Ronnie Hellström, der auch sein Freund ist. In den 80er-Jahren war er auch Trainer beim FCK und beim damaligen Bundesliga-Rivalen FC Homburg. Sepp Stabel hat uns in diesem Gespräch Seiten des Fußballgeschäfts gezeigt, die es so schon sehr lange nicht mehr gibt. Leider...

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von Nico Petrowsky


Sepp Stabel, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen was Sie im Anschluss an Ihre Karriere gemacht haben.
Meine Karriere war Anfang der 90er Jahre zu Ende und dann stellte sich mir die Frage, ob es außer Fußball auch noch etwas anderes gibt. Ich habe dann die Situation beim Schopfe gepackt, als mir ein Freund in meinem Tennisverein einen Job in der freien Wirtschaft angeboten hat. Ab 1995 habe ich dann diesen Weg eingeschlagen und dem Fußball Adieu gesagt. Ich habe dann angefangen für ein amerikanisches Unternehmen im Bereich Elektrotechnik /–montage zu arbeiten. Ich bin als Regionalverkaufsleiter, Verkaufsleiter und dann bis zu meiner Pensionierung 2014, ab 2012 als Verkaufsdirektor, tätig gewesen. Das war für mich wirklich ein Sechser im Lotto. Meine Bekanntheit als Fußballer hat mir in Verkaufsgesprächen auch immer mal wieder geholfen.


Sie wechselten 1967 als 18-Jähriger aus Pirmasens zum 1. FC Kaiserslautern. Wie lief der Kontakt damals ab? Gab es schon ein Scouting der Vereine oder haben Sie sich beim FCK vorgestellt und angeboten?
Damals gab es noch Kreisauswahlspiele. Die Kreisauswahl Pirmasens hat es im März 1967 bis ins Endspiel gegen die Kreisauswahl Kaiserslautern geschafft. Die Kreisauswahl Kaiserslautern war haushoher Favorit, weil dort viele FCK-Spieler spielten. Aber auch unsere Auswahl hatte mit Hannes Riedl, Josef Pirrung und mit mir Auswahlspieler, die bereits auch in die DFB-Auswahl berufen wurden. Wir haben 1:0 gewonnen. Es waren natürlich viele Verantwortliche vom FCK da. Und weil ich bei diesem Spiel auch das Glück hatte, einen Elfmeter zu halten und dadurch als einer der besten Spieler genannt wurde, standen einen Tag später Offizielle des FCK vor der Tür. Da wurde mir direkt ein Vertrag angeboten. Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt beim FK Pirmasens trainiert. Die hatten mir lediglich einen Vertrag in Aussicht gestellt, ohne ihn mir direkt anzubieten. Der FCK hat direkt ein Angebot gemacht, dem ich dann zugestimmt habe. Allerdings war ich noch in meiner Lehre als Bankkaufmann. Das musste dann erst noch alles verhandelt werden, was aber funktioniert hat.


Können Sie sich noch an Ihr erstes Gehalt beim FCK erinnern? Gingen Sie nach Ihrer Ausbildung nebenher arbeiten oder verdienten Sie Ihren Lebensunterhalt schon als Profi?
Ich habe sogar noch meinen ersten Gehaltsschein in meinen Unterlagen. Mein Grundgehalt 1967 betrug 600 Mark zuzüglich Prämien, je nachdem ob wir auswärts oder zu Hause spielten. Da ich allerdings noch in der Ausbildung zum Bankkaufmann war, bekam ich im dritten Lehrjahr dadurch noch 230 Mark Lehrlingsgehalt. In Verbindung mit dem FCK lag mein Gehalt dann bei ca. 1000 Mark im Monat. Nach meiner Lehre war ich aber Vollprofi und bin keinem anderen Beruf nachgegangen.


Plötzlich waren Sie Mannschaftskamerad von Leuten wie Uwe Klimaschefski, Otto Rehhagel oder Dietmar Schwager. Wie wurden sie damals aufgenommen?
Ich bin voller Demut und Respekt auf die Spieler zugegangen. Als junger Spieler wurde ich aber sehr gut aufgenommen und habe große Hilfe bekommen. Ich hatte vor den Erfolgen und der Spielweise der Jungs aber immer sehr viel Respekt. Ich war 18 Jahre alt und dann steht man mit solchen Spielern auf dem Platz, das war Gänsehaut pur. Letztendlich wusste ich aber auch, warum ich dort war.


Zu Beginn Ihrer Karriere spielte der Torwart noch ohne Handschuhe. Wann hatten Sie Ihre ersten Torwarthandschuhe bekommen und wie würden Sie persönlich die Umstellung auf Handschuhe beschreiben?
Damals war es bis Ende der 60er Jahre völlig normal ohne Handschuhe zu spielen. Das war teilweise sehr schmerzhaft, auch wegen der Trainingsbedingungen. Im Winter habe ich mir Wollhandschuhe gekauft. Das half bei den Spielen zwar etwas, aber im Winter oder bei Nässe wurden die irgendwann eisig. Gegen die Kälte gab es Handwärmeflaschen. Unser Zeugwart hatte so eine Handwärmeflasche und hat mir die bei Spielen immer gegeben. Wenn wir im Angriff waren, hat man die kurz in die Hand genommen und sich die Hände gewärmt. Wenn der Gegner auf unser Tor zu kam, hat man sie schnell wieder hinter sich ins Tor geworfen. Aber regelmäßig mit Handschuhen haben wir erst ab 1972 gespielt. Der Erste war Sepp Maier, der hatte solche Lederhandschuhe. Wenn es allerdings nass war, wurde der Ball richtig glitschig. Das war der Beginn der Torwarthandschuhe, die sich von da an stetig verbessert haben. Meine Handschuhe habe ich von Ronnie Hellström bekommen. Der hatte Kontakt nach England. Dort hat er immer 50 bis 100 Paar Wollhandschuhe bestellt, weil die maximal eine Trainingseinheit hielten. Ab Sommer 1972 haben wir dann mit den Handschuhen gespielt, die Sepp Maier auch hatte. Die musste man sich aber selbst kaufen, man bekam sie nicht gestellt.


Früher hatten Torhüter keinen eigenen Trainer. Wie kann man sich Ihr Torwarttraining von damals vorstellen?
Die Torleute wurden ohne spezifische Kenntnisse trainiert. Meistens war das dann nach dem normalen Mannschaftstraining. Das heißt, wir haben auch immer länger trainiert als die anderen. Torwarttraining wurde bis weit in die 70er Jahre als Torschusstraining definiert. Das spezielle Torwarttraining oder auch der Torwarttrainer, kamen erst sehr viel später. Da hatte niemand eine spezielle Ausbildung wie heute. Hellström und ich haben meistens noch selbst für uns trainiert.


Als Sie zum FCK kamen, war Wolfgang Schnarr die unangefochtene Nummer 1 auf dem Betzenberg. Sie kamen nur sporadisch zu Einsätzen. Auf Schnarr folgte Josef Elting, der in seinen ersten Jahren beim FCK den Platz im Tor einnahm. Wie frustrierend war dies für Sie als junger Torhüter?
Als ich verpflichtet wurde war klar, dass der FCK nur einen zweiten Torwart suchte. Die beiden Torhüter Horst-Dieter Strich und Wolfgang Schnarr waren so verfeindet, dass man sich von einem trennen musste. Ich wusste, dass das für mich nicht einfach wird, aber für mich war klar, dass nur ein zweiter Torwart gesucht wird. Dementsprechend war es für mich auch kein direkter Wettkampf. Erst als Elting kam, wurde es ein sportlicher Wettkampf. Es wurde dann auch nach den Trainingsleistungen beurteilt. Wenn man sich die Statistiken anschaut, erkennt man, dass damals bei uns sehr viel rotiert wurde. Ich war 1973 auf einem DFB-Lehrgang vor dem Länderspiel gegen die USA in Duisburg. Das war das B-Länderspiel. In dieser Saison habe ich fast komplett durchgespielt. Wir haben da auch mal 8:2 gegen Gladbach verloren und Helmut Schön kam auf mich zu und hat gesagt, ich sei nicht schuld gewesen, ich wäre beim DFB-Lehrgang trotzdem dabei. 1973 war ich auch im erweiterten Kreis von fünf Torleuten für die WM 1974.


Nachdem Ihre Einsatzzeiten in der Saison 72/73 und 73/74 deutlich stiegen, setzte man Ihnen zur Saison 74/75 den schwedischen Fußballer des Jahres und Weltklasse-Torwart Ronnie Hellström vor die Nase. Dachten Sie nie an einen Wechsel?
Ja, natürlich. Zu meiner Zeit gab es noch eine feste Ablösesumme. Ich habe heute noch ein Schreiben von Arminia Bielefeld, da hat der FCK für mich 100.000 Mark verlangt. Werder Bremen und Hannover 96 haben auch mit dem FCK gesprochen und dann Abstand genommen, weil die Ablöse so hoch war. Die Gedanken waren schon da, aber die haben sich auch wieder gelegt, nachdem die Sache wegen der Ablöse nicht funktioniert hat.


Nach der Verpflichtung von Hellström, sanken Ihre Chancen auf einen Stammplatz extrem. Wie gingen Sie mit Ihrem Kontrahenten um? Wie war das Verhältnis zwischen Ihnen?
Wir sind heute noch befreundet. Das sagt, glaube ich, alles aus. Wir haben uns auch bei jedem Auswärtsspiel immer das Zimmer geteilt. Bei uns gab es nie Probleme, ganz im Gegenteil.


Der Betzenberg galt früher als Festung. Selbst die Bayern waren meist nur Punktelieferant. 1972 besiegte der FCK mit Ihnen im Tor den FC Bayern, der mit Stars wie Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller, Breitner oder Hoeneß bespickt war, mit 3:1. Was machte es den Gegnern so schwer, auf dem Betzenberg zu bestehen?
Ich kann nicht für den FC Bayern sprechen, aber wir haben die immer nur angeschaut und gesehen, dass deren Selbstvertrauen auf dem Betze nicht ganz so ausgeprägt war, wie bei uns. Ich habe später auch noch Kontakt zu Paul Breitner gehabt und da habe ich erfahren, dass die Bayern immer unglaublich großen Respekt hatten vor dem Zusammenhalt und dem Auftreten der FCK-Mannschaft und dem Publikum. Da hatten die richtig Schiss. Ich konnte nicht in die Köpfe gucken, aber wenn ein Mann wie Breitner sagt, wir schicken die Punkte per Post, dann sagt das ziemlich viel. Als 1972 die Tribüne umgebaut wurde, haben wir auch ein Spiel in Ludwigshafen gegen Bayern gemacht vor 60.000 Zuschauern, welches wir 3:1 gewonnen haben. 60.000 Zuschauer gegen Bayern und wir knüppeln die dort nieder, das war schon ein Highlight. So etwas vergisst man nie in seinem Leben.


Unter Trainer Erich Ribbeck sollen Sie und Hellström einen Waldlauf auf dem Traktor beendet haben. Was ist dran an dieser Geschichte? 
Tatsache. Die Sache wurde irgendwann mal auf einem Betze-Forum angesprochen. Erich Ribbeck hat sehr viel Wert auf Ausdauer gelegt, egal ob Torhüter oder Feldspieler. Es war wichtig, viel und lang laufen zu können. So nach 2/3 der Strecke waren wir völlig kaputt und haben uns irgendwo ins Gebüsch gehauen. Dann haben wir Waldarbeiter entdeckt, die uns mit ihrem Fuhrwerk ans Stadion gefahren haben. Dort haben wir uns auf der Toilette versteckt, bis die anderen kamen. Als sie angekommen sind, haben wir uns ein wenig Wasser ins Gesicht gemacht und haben so getan, als ob wir aus dem letzten Loch pfeifen würden. Das hat Ribbeck nie rausgekriegt. Da hat aber auch die Mannschaft zusammengehalten. Die wussten ganz genau, was los war und haben sich kaputtgelacht. Den Waldarbeitern haben wir Karten für das nächste Heimspiel versprochen. Wir haben uns also schon bedankt. So waren am Ende alle zufrieden.


Hellström erzählte auch, dass es während einer Kolumbien-Reise mit dem FCK zu einer kniffligen Situation in einer Diskothek gekommen sei, was mit Ihrer Tanzdarbietung zu tun hatte. Wie lief das aus Ihrer Sicht ab?
An dem Vorabend war eine Gala mit Julio Iglesias in Medellin, wo ich mit Ronnie Hellström war. Am nächsten Tag war dann eine Party in einer Disco, auf die wir auch eingeladen wurden. Was macht man auf einer Party? Da wird natürlich getanzt. Irgendwann habe ich dann eine Frau aufgefordert mit mir zu tanzen. Ich wusste aber nicht, dass sie verheiratet oder vergeben war. Jedenfalls haben wir getanzt, wahrscheinlich auch ein bisschen enger. Plötzlich ist der Ehemann neben mir aufgetaucht und hat mir eine Pistole unter die Nase gehalten. Er meinte, dass nur er mit seiner Frau tanze und sonst niemand. Das muss man nicht unbedingt haben. So schnell habe ich uns noch nie laufen gesehen. Gott sei Dank sind wir am nächsten Tag weitergeflogen. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir im Flugzeug waren, haben wir uns gar nicht wohl gefühlt. Wir wussten ja nicht, ob uns der Typ vor dem Hotel irgendwie auflauert oder sonst was. War nicht schön, aber das sind eben solche Erlebnisse.


Nach 97 Pflichtspielen für den FCK, beendeten Sie 1980 Ihre Karriere in Kaiserslautern. Würden Sie im Nachhinein in Ihrer Karriere Dinge anders machen?
Es ist müßig über so etwas nachzudenken. Mir war es wichtig, dass die jeweiligen Trainer immer Vertrauen zu mir hatten. Meine Vorstellungen wurden eigentlich immer erfüllt. Das war für mich entscheidend. Ich habe zwar auch mal versucht woanders zu spielen, aber letztendlich war ich sesshaft hier. Zur damaligen Zeit hat man da noch mehr wert draufgelegt, die Werte des FCK zu festigen und zu leben. Es war eine große Ehre beim FCK zu spielen und da war nichts mit Bäumchen-wechsel-dich wegen 500 Mark Gehalt, die man woanders mehr bekommen hätte. Der Verein hatte viel Vertrauen zu mir und mir immer wieder einen Vertrag angeboten.


Die Spieler hatten aufgrund der fehlenden digitalen Möglichkeiten früher deutlich mehr Freiheiten. Dafür lag der Verdienst bei einem Bruchteil von dem heutigen? Der Fußball wirkte früher wesentlich persönlicher und ehrlicher. Würden Sie trotzdem lieber in der heutigen Zeit spielen?
Manchmal ja und manchmal nein. Ja, wenn ich daran denke welche Annehmlichkeiten es heute gibt. Ich rede nicht einmal von der ersten Liga. Selbst beim FCK in der 3.Liga genießen die Profis extreme Annehmlichkeiten. Die Trainingsmöglichkeiten oder die Ausrüstung. Wir haben nicht auf dem guten Rasen trainiert, sondern auf dem Nebenplatz. Das war ein Acker. Auf dem Betze gab es damals auch eine Sandgrube, in der das Schusstraining stattfand. Da stand man im Sand und wenn ein Ball entgegengeflogen kam, musste man die Augen wegdrehen, weil der Ball voll Sand war. Da konnte man sich natürlich nicht so gut entwickeln, wie man es gerne gewollt hätte. Da hatte jeder seinen Overall und die wurden morgens nach dem Training direkt gewaschen, damit wir sie mittags wieder anziehen konnten. Heute hat man zehn verschiedene Paar Schuhe. Wir waren froh, wenn wir zwei Paar hatten. Oder die Unterkünfte. Wir hatten nie ein 5-Sterne Hotel gehabt. Heute gibt es alles nur vom Allerfeinsten. Unser Bus ist manchmal unterwegs liegen geblieben, weil er zu alt war. Heute ist so etwas undenkbar. 
Auf der anderen Seite weiß jeder, dass Spieler heute total unter Beobachtung stehen. Es kann auch nicht mehr jeder sagen, was er will. Es werden heute bei Pressekonferenzen die Spieler bestimmt, die vor das Mikrofon treten. Dann bekommen die vorher wahrscheinlich schon gesagt, was sie sagen dürfen und was nicht. Das sind eben Dinge, bei denen ich sage, dass ich heutzutage kein Spieler sein möchte. Man wird als Mensch eingeengt und das finde ich nicht gut. Damals musste man sich allerdings auch darüber im Klaren sein, dass Profifußball nur einen Teil des Lebens ausmacht. Das heißt, dass man wissen musste, wie es danach weitergeht. Heute ist ja jeglicher Boden verloren gegangen. Viele vergessen, dass es auch ein Leben nach dem Profifußball gibt und da muss man sich eben drauf vorbereiten. Viele haben sich von Freunden und Beratern leiten lassen und es ging nur darum, möglichst viel Geld zu verdienen. Am Ende war dann mehr weg, als man gewonnen hat.


Das Smartphone, soziale Netzwerke und Kopfhörer spielen inzwischen eine sehr große Rolle im Fußball, was den persönlichen Kontakt untereinander verringert. Wie würden Sie die Kameradschaft innerhalb einer Mannschaft früher und heute beurteilen?
Wir haben sehr viel gemeinsam unternommen. Es gab auch viele Freundschaften untereinander, wobei ich nicht weiß, wie das heute ist. Wir konnten damals noch ein bisschen abseits von der Öffentlichkeit um die Häuser ziehen. Wir konnten auch mal mit ein paar Mann in unserer Stammkneipe etwas essen oder ein paar Bier trinken. Das ist heute wahrscheinlich nicht mehr machbar, weil an jeder Ecke einer mit einer Kamera stehen könnte. Deswegen ist das mit der Kameradschaft schwer zu vergleichen. Wenn man heute Spieler im Stadion sieht, dann haben die alle Kopfhörer auf. Wir haben uns weit vor dem Spiel schon unterhalten und Hilfestellungen gegeben. Als Fan kann man auch ewig auf die Mannschaft warten, wenn sie denn überhaupt mal kommt. Die Spieler kommen auch selten mal an den Zaun zu den Fans.


Welche Maßnahmen gab es früher, um den Zusammenhalt und die Kameradschaft in einer Mannschaft zu stärken?
Dazu gehörte auch, dass man viel miteinander redet. Sowohl auf als auch neben dem Platz. Wenn ich mir heutzutage das Training auf dem Betze anschaue, dann denke ich immer, dass die viel zu ruhig sind. Mit Hellström in dem einen und mir in dem anderen Tor haben wir die Spieler richtig heiß gemacht. Da wollte jeder gewinnen.


Gibt es Spiele oder Szenen, die Ihnen immer noch besonders gut im Gedächtnis sind?
Das war zum einen der Lehrgang mit der Nationalmannschaft. Da waren die Spieler dabei, die 1974 Weltmeister geworden sind. Wenn man mal ein paar Tage mit denen zusammen sein durfte, das war schon ein Highlight. Oder als ich im UEFA-Cup den entscheidenden Elfmeter gegen Eriwan gehalten habe und wir eine Runde weitergekommen sind. Dann das Spiel gegen Bayern in Ludwigshafen, da bekomme ich heute noch Gänsehaut. Beim 7:4 habe ich leider nicht gespielt, weil ich mir 14 Tage vorher den Knöchel angebrochen habe. Ansonsten natürlich auch immer, wenn man ins Stadion eingelaufen ist. Da waren immer um die 25.000 Zuschauer. Ich hatte jedes Mal eine Gänsehaut.


Im Anschluss an Ihre Spielerkarriere waren Sie als Co-Trainer von Kalli Feldkamp und danach im Amateurbereich sehr erfolgreich, ehe Sie 1987 den Trainerposten von Hannes Bongartz übernahmen und den Abstieg verhinderten. Wie kam man damals auf Sie, nachdem Sie einige Jahre im unteren Amateurbereich tätig waren?
Ich war Co-Trainer bei Kalli Feldkamp. Feldkamp ist dann gegangen und Rudi Kröner kam zum FCK. Kröner meinte allerdings, dass er keinen Assistenztrainer brauche. Dann habe ich mich eben vom FCK verabschiedet und bin nach Worms gegangen und habe unterklassige Mannschaften trainiert, wie meinen Heimatverein, den TuS Hohenecken. Ich hatte das Glück mit dieser Mannschaft von der A-Klasse bis in die Verbandsliga aufzusteigen. Im Pokal haben wir auf dem Betze gegen die Amateure des FCK gespielt. Der damalige Präsident Jürgen Friedrich hat mich dann angerufen und gefragt, ob ich die Amateure trainieren möchte. Ich habe natürlich zugesagt, weil es eine einmalige Chance war. Bis zum 11. November habe ich die Amateure trainiert. An dem Tag wurde ich angerufen und sollte auf die Geschäftsstelle kommen. Da wurde ich informiert, dass ich ab sofort die Lizenzspieler-Mannschaft trainieren soll. An diesem Tag wurde Hannes Bongartz entlassen. Bis Dezember habe ich ohne Co-Trainer und Assistent die Profi-Mannschaft und die Amateure trainiert. Wir sind in dieser Saison nicht abgestiegen, aber trotzdem ist Jürgen Friedrich nach dem letzten Spiel gegen Mönchengladbach zurückgetreten.


Damals spielten beim FCK schwierige Typen. Wolfram Wuttke soll damals seinen kleinen Sohn mit zu einer Teamsitzung gebracht haben, um ihm zu zeigen, mit welchen Pfeifen er zusammenarbeiten müsse. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Aktion?
Das ist 100% korrekt. Wir hatten jeden Sonntag nach dem Spiel eine Sitzung in der Nordtribüne. Ich habe mir am Samstagabend das Spiel auf Kassette noch mal angeschaut und ein paar markante Punkte rausgesucht, um sie mit den Jungs zu besprechen. Jedenfalls kam dann Wuttke mit seinem Sohn. Ich habe gesagt, sie sollen dann hinten im Raum Platz nehmen und er hat es auch gemacht. Ich habe nicht gefragt, warum oder weshalb, sondern ich habe die Sitzung einfach so kurz wie möglich gehalten. Ich habe nur den Trainingsplan vorgestellt. Die Analyse habe ich dann mittags auf dem Platz gemacht. Wir haben da aber auch nie wieder drüber gesprochen. Als Trainer braucht man sowas aber eigentlich nicht.


Wuttke, oder auch beispielsweise Ehrmann, waren dafür bekannt, dass sie Tacheles redeten. Woran liegt es, dass man solche Typen im heutigen Profifußball fast nicht mehr findet?
Das Auftreten in der Öffentlichkeit spielt für die Vereine einfach eine sehr große Rolle. Da muss man heute sehr vorsichtig sein. Wuttke oder Ehrmann waren allerdings nie ausfallend. Wuttke hat sich durch diese eine Aktion eigentlich selbst aus der Mannschaft manövriert. Wenn heute Ausrutscher passieren, dann wird das auch direkt aufgearbeitet und sanktioniert. Die Sache mit Ehrmanns Rauswurf als Torwarttrainer hätte der FCK beispielsweise nie in der Öffentlichkeit diskutieren dürfen. Das Ganze hätte man intern hinter verschlossener Tür regeln sollen. Das wirft kein gutes Licht auf den FCK.


Obwohl Sie den Abstieg verhinderten und im folgenden Jahr einen, für FCK-Verhältnisse, guten Tabellenplatz im gesicherten Mittelfeldplatz erreichten, bekamen Sie keinen neuen Vertrag. Mit welchen Argumenten hat man sich Ihnen gegenüber gerechtfertigt?
Reiner Geye wurde nach dem Rücktritt von Friedrich zum starken Mann beim FCK. Im Frühjahr wurde mir erklärt, dass der FCK neues Blut mit einem jüngeren Trainer bräuchte. Ich war damals 40. Roggensack, der auf mich folgte, war 50 Jahre alt und war nur sechs Monate da. Dann kam Feldkamp, sonst wäre der FCK vielleicht damals schon abgestiegen. Das war für mich schon eine schlimme Situation, nachdem wir den Abstieg verhindert haben und in der Saison 1988/89 Tabellenplatz 9 erreicht haben.


Sie gingen zum Bundesliga-Aufsteiger FC Homburg. Wie Sie schon sagten, marschierte der FCK mit Roggensack mit großen Schritten Richtung 2. Bundesliga, ehe ihn Kalli Feldkamp ablöste. Fühlten Sie so etwas wie Schadenfreude oder Genugtuung?
Ich habe da weder Schadenfreude noch Genugtuung gefühlt. Ich hatte genug damit zu tun, dass in Homburg alles funktioniert.


Dort wurden Sie kurz vor dem Saisonende entlassen. Danach waren Sie nicht mehr im Profifußball tätig. Wollten Sie nicht mehr auf die große Fußballbühne oder gab es keine passenden Angebote?
Ich wurde vor dem Spiel gegen Karlsruhe krank, hatte eine Nierenbeckenentzündung. Das Spiel wurde gewonnen und man hat mir dann über das Fernsehen mitteilen lassen, dass ich beurlaubt bin. Das war ebenfalls nicht schön. Mein Arzt hatte mir gesagt, dass es mich richtig umhaut, wenn ich mich an die Seitenlinie stelle. Die Mannschaft hat gewonnen und somit war ich raus. Aber so ist das Profigeschäft. Ich wollte danach auch nicht mehr. Da ist der ganze Druck des Profigeschäfts von mir abgefallen. Ich hatte dann das Glück, einen guten Job zu finden.


Sie haben viele Persönlichkeiten im deutschen Fußball kennengelernt. Ich würde Ihnen gerne einige Namen nennen und Sie darum bitten, aufgrund persönlicher Erfahrungen, etwas zu ihnen zu sagen.
Fritz Walter: Was soll man zu Fritz Walter sagen?! Ich glaube, es gibt nicht genügend Superlative. Idol, Ehrenmann, Weltstar. Man kann nur Ehrerbietung haben vor solch einem Mann. Alleine ihm die Hand zu geben - die will man sich danach nie wieder waschen.


Gerry Ehrmann: Totaler Profi, aber so wie ich ihn kennengelernt habe, vielleicht nicht immer diplomatisch genug.


Otto Rehhagel: Durfte ich nur ein halbes Jahr kennenlernen, weil er sich zu meiner Zeit das Bein gebrochen hat. Während dieser Zeit aber absolut fußballverrückt. Ihm war damals schon klar, dass er Trainer wird.


Erich Ribbeck: Fitnessfreak. Ein sehr angenehmer und geradliniger Typ.


Kalli Feldkamp: Mein absolutes Vorbild. Er hat gezeigt, wie man mit einer Mannschaft umgehen muss. Wir hatten mal ein Pokalspiel in München, das wir 3:1 verloren haben und Ronnie hatte einen schlechten Tag. Ich war in Köln auf der Sporthochschule und bin nach München geflogen. Er sagte nur, dass ich die nächsten Spiele im Tor stehe. Ich habe zu ihm gesagt, dass das nicht geht, weil ich auf der Sporthochschule bin und nicht im Training stand. „Du spielst, ich brauche dich jetzt“, hat er gesagt. Das zeigt, dass er keine Angst vor großen Namen hatte. Ronnie hat das aber auch 100% eingesehen.


Walter Frosch: Wenn man den kennengelernt hat, dann braucht man niemanden mehr kennenzulernen. Ein Unikat ohne Ende. Ein unglaublich gelassener Mensch. Ich habe den niemals nervös gesehen. Man musste ihn eben so nehmen, wie er war. Der hat vor dem Spiel noch seine Zigarette geraucht und es hat ihn nicht gestört, was andere denken. Er hat aber auch immer seine Leistung gebracht. Auf dem Platz ein knallharter Typ.


Hans-Peter Briegel: Ein ganz großartiger Sportsmann. Ein Idol und Vorbild. Für einen Verein wie den FCK tut es mir heute noch weh, so einen Mann verprellt zu haben. Solche Spieler wünscht sich die Jugend als Vorbild.


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