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Interview mit Claudia Weigl-Banach

"Der FC hat sich sogar die Lebensversicherung meines Mannes unter den Nagel gerissen."

Claudia Weigl-Banach ist die Witwe von Maurice Banach, der 1991 bei einem furchtbaren Unfall ums Leben kam. Sie hat uns unfassbare Dinge über die Zeit nach dem Tod ihres Mannes erzählt. Der 1. FC Köln hat sich in dieser Zeit nicht mit Ruhm bekleckert. Kurz nach unserem Gespräch hat sich die aktuelle FC-Geschäftsführung um Horst Heldt und Alexander Wehrle bei Claudia Banach-Weigl gemeldet und als Wiedergutmachung die Friedhofsgebühren der nächsten 30 Jahre übernommen, sowie angeboten, ein Spiel mit ehemaligen Weggefährten in Gedenken an Maurice Banach zu organisieren, dessen Einnahmen an Claudia und Ihre Söhne gehen.


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von Mario Gailing


Frau Banach-Weigl, vor knapp 29 Jahren starb Ihr damaliger Mann, Köln-Stürmer Maurice Banach, 24-jährig, bei einem Autounfall. Wer hat Ihnen diese Nachricht damals überbracht?

Der Spielervermittler von Mucki hat angerufen und mich gefragt, wo Mucki sei. Er wusste schon was passiert war, hat es mir aber nicht gesagt. Er wollte wohl nur wissen, ob ich es schon erfahren habe. Dann rief ein Redakteur von der BILD-Zeitung an und hat mich auch gefragt, ob ich wisse wo mein Mann ist. Als ich ihm sagte, dass er beim Training ist, hat mir der Redakteur gesagt, dass Mucki tot ist. Um 13.30 Uhr kam dann auch die Polizei und hat mir die Nachricht offiziell überbracht.


Wann haben Sie Ihren Mann kennengelernt?
Das war am 18.3.1981. Da waren wir zusammen auf der Kirmes in Münster.


Ihre beiden Söhne Zico und Danny waren noch ganz klein. Sie standen von dem einen auf den anderen Moment mit Ihrer Familie vor einem emotionalen Scherbenhaufen. Wie kamen Sie in dieser schweren Zeit auf die Beine? 
Ich bin in ein ganz tiefes Loch gefallen und sah keinen Sinn mehr im Leben. Überall um mich herum war heile Welt. Ich bin dann mit den Kindern direkt zu meinen Eltern. Ein Vierteljahr nach dem Unfall war ich mit den Kindern zu Besuch bei Frank Ordenewitz. Dort ging es meinem Jüngsten, der damals noch ein Baby war, nachts so schlecht, dass er in der Uniklinik beatmet werden musste. Wochen später schaltete man die Beatmungsgeräte ab und er atmete zum Glück alleine weiter, hatte aber keinerlei Kontrolle mehr über seinen Körper, so dass die Ärzte mir rieten, ihn in eine Behinderteneinrichtung abzugeben, weil keine Besserung zu erwarten sei. Ich nahm den Kleinen gegen den Rat der Ärzte mit nach Hause, was im Nachhinein die richtige Entscheidung war, da er sich prima erholte und bald ein ganz normales Kind war. In dieser Zeit kam mein Lebenswille zurück, weil ich unbedingt für meine Kinder da sein wollte.


In einem Zeitungsartikel stand vor vielen Jahren, dass der 1. FC Köln als Verein keine große Hilfe war. Wie muss man sich das vorstellen? Haben sich Vereinsverantwortliche nicht gemeldet oder Hilfe angeboten?
Nein, da kam nichts. Überhaupt nichts. Im Gegenteil. Der FC hat sich sogar die Lebensversicherung meines Mannes unter den Nagel gerissen und sich mir gegenüber so gerechtfertigt, dass ich mir schließlich keinen neuen Mann kaufen müsse, der FC aber einen neuen Spieler.


Anfang der 90er waren die Spielergehälter noch nicht so immens hoch, dass man nach einigen Jahren als Profifußballer ausgesorgt hatte. Waren Sie damals finanziell trotzdem abgesichert oder mussten Sie sich auch noch darüber Sorgen machen? 
Und wie ich mir Sorgen machen musste. Ich habe bei der Taxizentrale Münster für 5,00 DM die Stunde gearbeitet und mit Schichtdiensten nachts oder an Feiertagen das Gehalt etwas aufgebessert. Nebenbei war ich noch in einer Zahnarztpraxis putzen.


Konnten Sie später Ihren Frieden mit dem 1. FC Köln machen oder war das unmöglich?
Das habe ich nicht geschafft. Viele Jahre später, ich glaube es war 2009, hat mich Ralf Friedrichs vom FC-Stammtisch angerufen und gefragt, ob ich als Gast dabei sein möchte, da man ja auch gegenüber den Fans etwas dankbar sein müsse. Ich bin innerlich fast explodiert. Ich habe alle Unterlagen genommen, aus denen hervorging, was der damalige Geschäftsführer Wolfgang Schänzler alles eingesackt hat und bin damit zu diesem FC-Stammtisch gefahren. Die Verantwortlichen vom 1. FC Köln wollten dann etwas Wiedergutmachung betreiben. Der damalige Manager Michael Meier hat mir daraufhin einen besseren Job besorgt.
 
Wie verhielten sich seine Mitspieler Ihnen gegenüber?
Anfangs hatte ich noch mit Alfons Higl und Frank Ordenewitz Kontakt, aber man merkte, dass sie nicht wussten, wie sie sich verhalten sollen. Die wussten ja auch, dass sie mir nicht wirklich helfen konnten.
 
Kommen wir zu den erfreulicheren Dingen, der Karriere von Maurice Banach. 1987 hatte Maurice im Trikot von Borussia Dortmund seine ersten Einsätze in der Bundesliga. Bereits bei seinem dritten Spiel erzielte er zwei Minuten nach seiner Einwechslung den 3:2-Siegtreffer im Derby gegen den VfL Bochum. Wie hielten Sie Ihren Mann am Boden? Oder war das nicht notwendig?
Mit 18 Jahren hat er seinen ersten Vertrag unterschrieben und ich hatte schon ein wenig Angst vor einem Höhenflug. Das war aber nie der Fall. Er blieb genauso, wie er immer war. Ich sehe seinen Charakter heute bei unseren beiden Jungs, die ihn eigentlich gar nicht erlebt haben. Verrückt.


Haben Sie zu Hause über Fußball geredet oder hat Sie der Beruf Ihres Mannes weniger interessiert?
Überhaupt nicht. Wir waren sogar mal während einer EM in Griechenland im Urlaub. Das hat ihn aber überhaupt nicht interessiert und er hat kein Spiel gesehen. Wenn er Urlaub hatte, hatte er überhaupt keinen Bock auf Fußball. Er ging dann lieber angeln.
 
In den ersten beiden Jahren im Profi-Team schaffte es Maurice Banach unter Trainer Reinhard Saftig nur zum Ergänzungsspieler und wurde meist erst in der Schlussphase eingewechselt. Gab es einen Plan B, falls es mit der Profikarriere nicht funktioniert hätte? 
Nein, es gab keinen Plan B. Er hat sich nie Gedanken oder Sorgen um die Zukunft gemacht. Ihn hat auch nie etwas aus der Ruhe gebracht. Er nahm alles so, wie es kam. Manchmal hatten wir am Ende des Monats noch 10 Mark in der Tasche, aber auch das hat ihn nicht beunruhigt. Dann habe ich einen Eintopf bei meinen Eltern mitgenommen, damit wir was zum Essen hatten.


Die Konsequenz der nicht zufriedenstellenden sportlichen Situation war ein Wechsel in die zweite Bundesliga nach Wattenscheid. Fürchteten Sie beide um die Karriere oder waren Sie stets überzeugt, dass Maurice den Durchbruch noch schafft?
Da hatten wir überhaupt keine Angst. Ehrlich gesagt haben wir uns in Wattenscheid sau wohl gefühlt. Nach dem Spiel gab es im Vereinsheim ein paar Schnittchen. Da war nichts mit VIP, so wie in Dortmund. Präsident Steilmann legte da unheimlich viel Wert darauf. In Wattenscheid lief alles kumpelhaft ab.
 
Nachdem er in Wattenscheid direkt Leistungsträger war, schoss er die SG in seinem zweiten Jahr als Torschützenkönig mit 21 Treffern in die Bundesliga. Der 1. FC Köln sicherte sich daraufhin seine Dienste ab der Saison 1990. Gab es auch Angebote von anderen Vereinen?
Ja, es gab einige Angebote. Auch aus Italien, aber da wollten wir beide nicht hin. Nach Köln wollte ich eigentlich auch nicht. Am liebsten wären wir in Wattenscheid geblieben, weil es dort so schön war. Aber der Spielervermittler hat damals schon Druck gemacht.



Haben Sie sich nie gefragt, wie Ihr Leben verlaufen wäre, wenn nicht Köln den Zuschlag bekommen hätte und Sie stattdessen geblieben wären?
Das habe ich mich sehr oft gefragt. Wie oft habe ich mir gewünscht, dass wir beide ganz normal arbeiten gegangen wären und in einer kleinen Kellerwohnung gelebt hätten. Wie viele andere auch. Hauptsache, Mucki hätte nie über die Autobahn zum Training nach Köln fahren müssen.
 
In Köln wurde Ihr Mann zum Star. Was hat sich in dieser Zeit für Sie als Familie verändert?
Gar nichts. Es ist alles beim Alten geblieben. Wir hatten auch noch die alten Freunde und sind oft nach Münster zu meinen Eltern gefahren. Die haben dann meist auf die Kinder aufgepasst, damit wir zusammen ins Stadion konnten.
 

Wie ging er damit um, dass er als größte Sturmhoffnung Anfang der 90er galt?
Auch darüber hat er sich keine Gedanken gemacht. Das war ihm egal und hat ihn nicht beeinflusst.
 
Maurice war vor seinem Tod 1991 in überragender Form und hatte nach 18 Spielen bereits 10 Tore auf dem Konto, war Zweiter der Bundesliga-Torschützenliste. War die Nationalmannschaft schon Thema in Ihren Gesprächen?
Für ihn selber nicht. Es war ihm auch überhaupt nicht wichtig, ob er Nationalmannschaft spielt oder nicht.
 
Maurice Banach wirkte auf dem Platz immer sympathisch und hat in seiner gesamten Karriere nie einen Platzverweis erhalten, bzw. auffällig fair gespielt. Würden Sie diese Tatsache an seinem Charakter festmachen?
Ja, total. Dem hätte man in die Hosentasche pinkeln können und er hätte sich bedankt. Nur einmal gab es eine Situation, in der er wild wurde. In der Sportschule Kaiserau hat ihm einmal ein Gegenspieler das Trikot zerrissen. Er hatte sich so aufgeregt, dass er zur Strafe in einen dunklen Raum musste, bis er abgeholt wurde. Da herrschten harte Methoden. Das hat er nie vergessen. Aber sonst wurde er nie aggressiv oder wütend. Deshalb hat es mich auch sehr traurig gemacht, als in der Zeitung stand, dass er vor seinem Unfall aggressiv gefahren sei.
 
1991 verlor der 1. FC Köln trotz zweier Treffer Ihres Mannes das DFB-Pokalfinale gegen Werder Bremen. Wie erlebten Sie ihn an Abenden oder Tagen nach solch schmerzlichen Niederlagen?
Das hing ihm nicht lange nach. Nach der ersten Enttäuschung auf dem Platz und nachdem er geduscht war, konnte er das super ausblenden. Dann wollte er damit aber auch nichts mehr zu tun haben. Wir waren damals alle mit in Berlin. Das war richtig schön.
 
In vielen unserer Interviews sprachen die Gesprächspartner oft von den Schattenseiten im Fußball-Geschäft, was sich meist in falschen Freunden und schlechten Beratungen wiederspiegelte. Wie haben Sie diese Zeiten erlebt?
Das war schon alles schwierig und in der Jugend echt hart. Mucki war 14 und ich 15, als wir zusammenkamen. Der BVB hat ihm eine Ausbildungsstelle in einem Lebensmittelgeschäft besorgt und ich war auch in einer Ausbildung. Wir haben uns jeden Tag nur kurz in der Mittagspause gesehen, dann ist er später mit dem Zug nach Dortmund zum Training gefahren und kam erst um 23 Uhr wieder zu Hause an. Ich habe ihn abends immer am Bahnhof abgeholt und er brachte mich nach Hause. Und das jeden Tag. Später gab es auch falsche Freunde, als er Profi war. Mucki hat das immer gesagt, aber ich habe das nicht so wahrgenommen. Erst als er tot war, wurde mir das immer bewusster. Wenn so etwas Schlimmes passiert, lernt man die wahren Freunde kennen.
 
Haben Sie noch heute Kontakte zu ehemaligen Mitspielern Ihres Mannes?
Eigentlich nicht. Letztens war Andreas Gielchen bei mir und wir waren gemeinsam auf dem Friedhof.


 

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