"Ein Derby gegen den FC Bayern vor 70.000 Zuschauern im Olympiastadion zu spielen war ein Traum."
Rainer Berg spielte unter anderem für 1860 München und den 1. FC Nürnberg. Er hat mit uns über die Höhen und Tiefen seiner Karriere gesprochen.
von Mario Gailing
Rainer Berg, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen, was Sie im Anschluss an Ihre Spielerkarriere gemacht haben und was Sie heute machen.
Ich bin nach meiner Spielerkarriere Torwart-Trainer geworden. Zuerst ein Jahr bei Jahn Regensburg, anschließend neun Jahre bei der SpVgg Unterhaching. Seit 2012 betreibe ich im Raum München eine Torwartschule.
Ihre erste Profistation war Darmstadt 98 in der 2. Bundesliga. Wie wurde man damals auf Sie aufmerksam, bzw. wer hat Sie entdeckt?
Meine erste Station im Seniorenfußball war von 1983 bis 1985 die SpVgg Unterhaching. Vor meinem Wechsel nach Darmstadt im Sommer 1985 durfte ich mich einige Wochen bei den Bayern Amateuren fit halten. Udo Klug, der damalige Trainer von Darmstadt, hat mich 1984 bei einem U-18 Länderspiel gesehen und mich 1985 nach Darmstadt geholt.
Können Sie sich noch an Ihr erstes Profigehalt erinnern?
Ja, aber das wird nicht verraten. Es war damals viel Geld, heutzutage würden die Spieler darüber lachen.
Erst nach zwei Jahren hatten Sie einen Stammplatz. Hatten Sie in dieser Zeit schon die Befürchtung, dass Sie es im Profifußball nicht schaffen könnten?
Nein, überhaupt nicht. Zu dieser Zeit war es normal, dass man als junger Torwart erst mal auf der Bank war. Ich war dann mit 21 Jahren Stammtorwart. Das war zu dieser Zeit schon außergewöhnlich. Dadurch bin ich dann auch in die U-21 Auswahl berufen worden.
Hatten Sie einen Plan B in der Tasche in Form einer beruflichen Ausbildung, falls es mit dem Profifußball nichts geworden wäre?
Ich habe im Sommer 1985 meine Banklehre erfolgreich abgeschlossen.
Nach Ihrer ersten Saison als Nummer 1 standen Sie 1988 in der Aufstiegsrelegation in die Bundesliga gegen Waldhof Mannheim. Sie scheiterten mit Darmstadt äußerst tragisch im Elfmeterschießen. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Spiele?
Es war ein tolles Erlebnis, mit einem traurigen Ende. Wir haben ein super Jahr gespielt, aber die Krönung blieb uns versagt.
Wie gingen Sie persönlich mit so einer bitteren Niederlage um?
Ich habe zwei Tage danach geheiratet. Ich glaube, das war die beste Ablenkung. Ich hatte allerdings lange daran zu knabbern. Meine Leistungen in der folgenden Saison waren auch nicht so gut.
Nachdem Trainer Klaus Schlappner den Verein verließ, verloren Sie Ihren Stammplatz wieder und wechselten schlussendlich in die Bayernliga zu 1860 München. Hatten Sie Angst vor dem sportlichen Schritt zurück?
Der Wechsel zu 1860 war für mich überhaupt kein Rückschritt. Ich wusste, dass der Verein ein schlafender Riese ist. Ich hatte ja bereits fünf Jahre in der Jugend für die Löwen gespielt. Wir hatten in der Bayernliga viel mehr Zuschauer, als Darmstadt damals in der 2. Bundesliga. Nach sieben Jahren bei den Löwen kann ich sagen, dieser Wechsel war die beste Entscheidung in meiner Karriere. Ich durfte 3 Jahre in der Bundesliga spielen, und wir schafften sogar die UEFA-Cup Qualifikation.
Bei 1860 München durchlebten Sie ein sportliches Wechselbad der Gefühle. Sie stiegen in die zweite Bundesliga auf, wieder ab und dann mit einem Durchmarsch bis in die 1. Bundesliga auf. Erzählen Sie uns doch bitte von diesen wilden Zeiten.
Der sofortige Aufstieg in die 2. Liga war der Wahnsinn. Es herrschte eine unfassbare Stimmung in der Stadt. Der direkte Abstieg war zwar bitter, aber gleichzeitig der Start zu meinem absoluten Karrierehighlight. Wir schafften als erste deutsche Mannschaft den Durchmarsch von der 3. Liga in die 1. Bundesliga. Ein Derby gegen den FC Bayern vor 70.000 Zuschauern im Olympiastadion zu spielen war ein Traum.
Nach einem Fehlstart in die Bundesligasaison verloren Sie schnell Ihren Stammplatz an Bernd Meier. Fühlten Sie sich als Sündenbock oder Bauernopfer? Hat Trainer Werner Lorant vor Ihrer Degradierung gesprochen?
Ich war überhaupt kein Sündenbock! Am 4. Spieltag habe ich gegen Schalke 04 mit einer Venenentzündung gespielt. Am nächsten Tag wurde daraus eine Thrombose. Ich bin viele Wochen ausgefallen und mein Vertreter Bernd Meier hat herausragend gehalten. Warum hätte mich nach meiner Genesung der Trainer gleich wieder spielen lassen sollen? Ich bin für mein Durchhalten ja belohnt worden und habe in der Saison 1996/1997 wieder sehr viele Spiele gemacht.
Werner Lorant wirkte nicht wirklich sympathisch in seiner Außendarstellung. Wie haben Sie ihn als Trainer, aber auch als Mensch erlebt?
Ich hatte die erfolgreichste Zeit meiner Fußballlaufbahn unter Werner Lorant. Ich bin mit ihm sehr gut klargekommen. Ich mag generell Leute, die ehrlich und direkt sind. Das ist mir viel lieber, als wenn jemand freundlich tut und hintenherum über mich herzieht.
Obwohl Sie in der Saison 96/97 wieder deutlich mehr gespielt hatten, wechselten Sie nach der Saison zum 1. FC Nürnberg in die 2. Bundesliga. Bekamen Sie keinen neuen Vertrag in München oder gab es andere Gründe?
Ich habe mich sehr frühzeitig für einen Wechsel entschieden. Hätte ich gewusst, dass ich wieder regelmäßig spiele, dann wäre ich bei 1860 geblieben.
Nachdem Sie die Entlassung von Club-Trainer Willi Entenmann kritisiert haben, haben Sie den Verein schon nach wenigen Wochen wieder verlassen und Ihre Karriere war mehr oder weniger beendet. Wie haben Sie Ihren Abgang aus Nürnberg erlebt?
Ich wurde beim 1. FC Nürnberg nicht rausgeworfen, wie es so oft heißt. Ich war mit der Art und Weise der Trainerentlassung nicht einverstanden und habe selber um eine Vertragsauflösung gebeten. Ich habe keine Abfindung verlangt, sondern wollte meine Solidarität mit Willi Entenmann zeigen. Willi war menschlich und sportlich ein ganz toller Trainer. Ich hätte nie gedacht, dass es so jemanden im Profibereich gibt.
Wie sind Sie damals zu dem Entschluss gekommen, nach Ihrer Spielerkarriere, als Torwarttrainer weiterzumachen?
Ich war seit meinem sechsten Lebensjahr Torwart und für mich war es keine Frage, dass ich danach selber Torhüter trainieren will.
Sind Sie noch „Fan“ eines Vereins und gehen Sie auch noch selbst ins Stadion?
Nach insgesamt 12 Jahren bei 1860 sind meine Sympathien natürlich bei den Löwen. Ab und zu bin ich bei Highlights auch im Stadion. Vor kurzem erst beim DFB-Pokalspiel gegen Borussia Dortmund. Die Stimmung im Grünwalder Stadion ist immer wieder faszinierend.
Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Mitspielern oder Trainern und haben sich sogar Freundschaften entwickelt?
Wir haben in München sogar einen regelmäßigen Stammtisch, wo sich ehemalige Spieler treffen. Es ist schön, dass auch lange nach der Karriere zu einigen noch Kontakt besteht.
Welchen Trainer würden Sie heute als Ihren besten Trainer bezeichnen?
Mit der Bezeichnung bester Trainer kann ich überhaupt nichts anfangen. Ich persönlich unterscheide zwischen erfolgreichen und nicht so erfolgreichen Trainern. Ich hatte einige Trainer, die fachlich top waren, aber der Erfolg ausblieb. Andere Trainer haben bestimmt nicht alles nach Lehrbuch gemacht, aber wir hatten Erfolg. Und das zählt am Ende im Fußball. Meine größten Erfolge hatte ich definitiv unter Werner Lorant.
Die Torwartposition ist die wohl undankbarste Position im Fußball. Entweder man ist
(in den Augen des Trainers) der Beste oder man spielt nicht. Sie saßen auch des
Öfteren auf der Bank. Freut man sich innerlich über einen schlechten Tag oder sogar
über Verletzungen des Konkurrenten?
Über Verletzungen von einem Kollegen habe ich mich nie gefreut. Das ist ein absolutes No-Go!
Hatten Sie ein Torhüter-Vorbild?
Obwohl ich kein Fan des FC Bayern bin, war Sepp Maier in meiner Kindheit mein absolutes Idol.
Gibt es noch Spiele oder Szenen, die Sie noch besonders gut im Gedächtnis haben?
Natürlich alle wichtigen Spiele. Ich habe sowohl mit Darmstadt, wie auch mit den Löwen, viele Aufstiegsspiele bestritten. Diese Alles-oder-Nichts-Spiele bleiben natürlich in Erinnerung.
In welchen Stadien haben Sie am liebsten gespielt und gab es Stadien, die Sie nicht mochten?
Definitiv das Grünwalder Stadion. Das hat einfach ein besonderes Flair. Zu meiner Zeit durften da noch 30.000 Zuschauer rein. Die Stimmung war genial. Von den Auswärtsstadien fand ich die Stimmung in Dortmund am besten. Fußballstadien mit Aschenbahn, die keine reinen Fußballstadien waren, haben mir nicht so zugesagt.
Zum Abschluss würde ich Ihnen gerne ein paar Namen nennen und Sie darum bitten
in aller Kürze, aufgrund von persönlichen Erfahrungen zu beschreiben, was Ihnen zu
diesen Personen einfällt.
Klaus Schlappner:
Er war ein Jahr mein Trainer in Darmstadt. Er hat mich mit 21 Jahren zum Stammtorwart gemacht. Dieses Jahr war definitiv das erfolgreichste in meiner Darmstädter Zeit.
Bruno Labbadia: Mit Bruno Labbadia habe ich zwei Jahre in Darmstadt zusammen gespielt. Unsere Wege haben sich später in München wieder gekreuzt. Er war beim FC Bayern, ich bei 1860 München. Da haben wir in unmittelbarer Nähe gewohnt und auch privat viel zusammen gemacht. Die Kinder waren im gleichen Alter und unsere Frauen haben sich auch gut verstanden.
Peter Pacult: Peter Pacult ist ein genialer Typ. Ich hatte unheimlich viel Spaß mit ihm. Trotz aller Lockerheit war er ein Vollprofi und hat immer Leistung gebracht. Er hatte großen Anteil an unserem Bundesligaaufstieg.
Jens Jeremies: Er kam als ganz junger Spieler von Dynamo Dresden zu den Löwen in die Bundesliga. Jens hat in jedem Training und Spiel Vollgas gegeben. Ich habe selten einen Spieler kennengelernt, der mit so viel Leidenschaft und Einsatz dabei war. Das habe ich immer bewundert.