Holger Ballwanz, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen was du im Anschluss an deine Karriere gemacht hast und was du heute beruflich machst.Ich bin seit August 2001 als Fanbeauftragter des VfL Wolfsburg tätig und hatte demnach das Glück, dass ich gleich nach Beendigung der aktiven Karriere im Fußballbereich weiterarbeiten durfte.
Ist es dir schwer gefallen vom einen auf den anderen Tag von der großen Fußballbühne zu steigen?
Es fiel mir leichter als gedacht.
Wie denkt man als Profifußballer über die Fans? Interessiert man sich überhaupt dafür, was Fans sagen?
Ich kann für mich sagen, dass ich schon als aktiver Spieler die Kommunikation mit den Fans gesucht habe, von daher hat mich persönlich das schon interessiert.
Weiter im Thema Fans: Beflügelt eine gute Stimmung im Stadion einen Spieler oder nimmt man das gar nicht wahr?
Die beflügelt auf jeden Fall und man nimmt das schon wahr.
Was machst du in deiner Freizeit? Gehören Stadionbesuche dazu?
Meine wenige Freizeit, die mir aufgrund meines Berufes noch bleibt, verbringe ich gerne mit meiner Familie. Meine Frau und ich reisen gerne und wir schauen, dass wir Wochenenden, an denen ich nicht im Einsatz bin, auch mal für einen Kurztrip nutzen.
Du hast knapp 250 Profispiele absolviert. Wäre mit all deiner Erfahrung nicht auch ein Cheftrainerjob für dich in Frage gekommen?
Ich habe relativ schnell die B- und A-Lizenz als Trainer gemacht und wollte eigentlich auch dort meinen Weg weitergehen. Dies ließ sich aber sehr schwer mit meinem Job als Fanbeauftragter vereinbaren und ich musste mich irgendwann auch für eine Richtung entscheiden. Wenn ich sehe, wie schnell heutzutage Trainer in die Schusslinie geraten, freue ich mich über meine „Haltbarkeit“ als Fanbeauftragter des VfL Wolfsburg.
Du hast erst mit 22 dein erstes Profispiel gemacht. Hast du vorher einen ganz „normalen“ Beruf gelernt?
Nein, das hat sich nicht ergeben. Nach Beendigung der Schule mit der Fachhochschulreife 1987 bin ich zu den Amateuren des HSV gewechselt und habe gleich meinen Grundwehrdienst absolviert. Während dieser Zeit lag mir dann ein Profivertrag vor, den ich für 3 Jahre unterschrieben hatte. Aus den 3 Jahren wurden dann insgesamt 12……
Du hattest, wie es damals nicht unüblich war, nur wenige Profivereine für die du aktiv gespielt hast. Wo hat es dir am meisten Spaß gemacht? Beim HSV, dem VfL oder in Hannover?
Für den großen HSV zu spielen, mit dem VfL Wolfsburg die größten persönlichen Erfolge zu feiern und in meinem letzten Jahr in Hannover auch einmal die negativen Seiten dieses Geschäfts kennenzulernen, alle Vereine waren für mich besonders und ich werde keine einzige Minute bei meinen Stationen missen. Meine Zeit in Wolfsburg steht allerdings noch etwas über den anderen beiden, denn schließlich bin ich ja mittlerweile seit knapp 28 Jahren hier und habe einen tollen Arbeitgeber.
Du bist ein echtes Nordlicht. Ist das der Grund warum du auch nur bei Vereinen aus dem Norden gespielt hast?
Das ist sicherlich schon ein wenig Zufall.
In deinem ersten Bundesligaspiel hast du gleich im Derby für den HSV gegen Bremen getroffen. Beschreibe uns bitte deine Gefühle.
Unbeschreiblich und so richtig begreift man das sowieso erst, wenn man nach dem Spiel ein wenig zur Ruhe gekommen ist.
Ich war damals 9 Jahre alt, kann mich aber noch genau an eine ganz andere Szene dieses Spiels erinnern. Weißt du welche ich meine?
Natürlich. Dietmar Jakobs hat sich an diesem Abend so schwer verletzt, dass er seine Karriere beenden musste. Für mich war es ein Schock, als sich bei seiner Rettungstat (er verhinderte mit seiner Grätsche das sichere 0:1 und rutschte selber weiter ins Tor) ein Karabinerhaken in seinen Rücken bohrte.
Gibt es Spiele oder Szenen, die dir immer noch besonders gut im Gedächtnis sind?
Das 6:0 in Frankfurt mit dem HSV in der Saison 90/91 und das 7:1 gegen Borussia Mönchengladbach mit dem VfL Wolfsburg in der Saison 98/99. Und dann bleiben natürlich bei einem Abwehrspieler immer die eigenen geschossenen Tore im Gedächtnis, weil es ja nicht so viel waren.
Was fällt dir bei dem Namen Sixten Veit ein?
Nach einem Foul gegen ihn sah ich bei Hertha BSC die rote Karte bereits nach 10 Minuten. Rein gefühlt hatte ich bis dahin keinen einzigen Ball und bin dann übermotiviert in eine Grätsche in Höhe der Mittellinie gegangen. Und bin dann auch zurecht vom Platz gestellt worden. Bei Sixten, den ich lange Zeit aus 2. und 1. Liga gekannt hatte, habe ich mich sofort entschuldigt.
Hast du 2004 bewusst wahrgenommen, dass Andres d´Alessandro nach 8 Minuten deinen Rekord mit der schnellsten Roten Karte für den VfL gebrochen hat?
Ich bin ganz froh darüber, dass ich nicht mehr mit diesem Rekord in den VfL-Geschichtsbüchern stehe.
Stehst du noch mit ehemaligen Mannschaftskameraden in Kontakt oder haben sich gar Freundschaften entwickelt, die du heute noch pflegst?
Kontakt hat man nach wie vor mit dem einen oder anderen, vor allem natürlich mit denen, die nach wie vor beim VfL Wolfsburg arbeiten (Roy Präger, Mathias Stammann, Frank Greiner), aber auch mit einigen, die in der Umgebung von Wolfsburg sesshaft geworden sind.
Gab es einen Mitspieler, der dich beeindruckt hat?
Es ist wirklich schwer dort jemanden herauszuheben, aber Spieler wie Thomas Doll oder Thomas von Heesen hatten schon fußballerisch enorm viel Qualität und ich bin schon stolz, dass ich mit solchen Größen in einem Team spielen durfte.
Gab es ein Vorbild für dich als Spieler?
Als kleiner Junge hat mir die Spielweise von Franz Beckenbauer imponiert.
Wer war dein unbequemster Gegenspieler?
Sicherlich gehören Giovane Elber und Olaf Marschall dazu.
Welcher deiner Trainer hat am meisten Eindruck hinterlassen?
Da möchte ich keinen herausheben und freue mich darüber, dass mir fast alle sehr viel Vertrauen geschenkt haben, indem sie mich häufig aufgestellt haben.
Gibt es einen Verein für den du gerne gespielt hättest? In Deutschland, sowie im Ausland?
Meine Qualität hat leider nie gereicht, um bei Real Madrid oder beim FC Barcelona zu spielen.
Glaubst du, dass du in deiner Karriere alles richtig gemacht hast oder gab es Dinge, die du heute anders machen würdest?
Mit meinen fußballerischen Möglichkeiten habe ich sicherlich das Beste rausgeholt, von daher kann ich mir nichts großartig vorwerfen.
Wie war der Tagesablauf eines Fußballprofis zu deiner aktiven Zeit?
Täglich 1-2 x Training und am Wochenende ein Spiel. Ein freier Tag pro Woche, den man dann mit der Familie genutzt hat. Ich glaube, da ist auch nicht viel Unterschied zu den heutigen Zeitabläufen.
Zu guter Letzt „Hand aufs Herz“. Wer war dein trinkfestester Mitspieler in deiner Karriere?
Wir haben nie Alkohol getrunken…… ;-)