Herr Kitzmann, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen was Sie im Anschluss an Ihre Karriere gemacht haben und was Sie heute beruflich machen? Nach meiner Fußballkarriere habe ich angefangen einen kleinen Laden zu übernehmen mit Lotto, Tabak, Zeitschriften und Kiosk. Danach habe ich mich vergrößert mit einem weiteren Laden. Momentan bin ich in der Zigarrenbranche tätig und besitze einen ganz speziellen Zigarrenladen mit überwiegend kubanischen Zigarren. Außerdem biete ich Whisky und Rum an, also Spirituosen.
Waren Tabak und Whisky schon als Profi eine Leidenschaft?
Nein, erst später. Ich habe erst mit 30-35 angefangen Zigarren zu rauchen und dementsprechend dann auch Whiskey und Rum zu trinken, aber alles im Rahmen.
Bekommen Sie in Ihrem Laden auch Besuch von ehemaligen Mitspielern?
Ja, von einigen älteren Spielern. Zum Beispiel von Werner Melzer oder Ernst Diehl, ein ehemaliger Trainer von mir. Hans-Peter Briegel war schon da. Auch Herbert Hoos als Zigarrenkunde oder Christian Timm. Aber auch aktuelle Spieler kommen ab und zu in die Läden. Wir sind sehr sportaffin.
Kommen wir zum Fußball. Bei Ihrem ersten Bundesliga-Spiel waren Sie gerade 17 Jahre alt. Wie groß waren anfangs Ehrfurcht und Respekt gegenüber älteren Spielern, aber auch das eigene Selbstbewusstsein?
Das kann ich noch gut nachvollziehen. Da war ich noch A-Jugend Spieler und Kalli Feldkamp hat mich mitgenommen nach Hamburg zu meinem ersten Spiel. Da waren Spieler wie Andi Brehme, Hannes Bongartz, Reiner Geye, Wolfgang Wolf dabei. Also alles renommierte Spieler. Da hat man schon einen riesigen Respekt gehabt. Ich habe auch gar nicht damit gerechnet, als ich das erste Mal dabei sein durfte, eingesetzt zu werden. Wir haben 2:0 zurückgelegen und etwa nach einer Stunde hat Kalli Feldkamp gesagt: „Das Spiel ist eh verloren, du kannst dich warm machen“ und dann durfte ich 20 Minuten mitspielen. Das war im Volksparkstadion damals. Das war eine Riesensache, weil ich eben gar nicht damit gerechnet habe. Aber das ist schon großartig, wenn man als A-Jugendlicher den Traum hat mal als Profi spielen zu dürfen. Das war ein großartiges Erlebnis.
Die Altersgrenze wurde gerade auf 16 Jahre abgesenkt. Finden Sie diese Regelung gut, um junge Spieler frühzeitig zu fördern oder für gefährlich, da sie jetzt noch früher dem Leistungsdruck und der Öffentlichkeit ausgesetzt sind? Welche Erfahrungen haben Sie diesbezüglich in Ihrer Anfangszeit gemacht?
Der Sprung von der A-Jugend zum Profikader ist schon riesengroß. Aber man muss dazu sagen, dass die heutigen Spieler natürlich ganz anders ausgebildet sind, als das bei uns früher war. Die können das heute von ihrer körperlichen Verfassung schon mitmachen. Damals war es eben selten, dass ein junger Spieler hochgekommen ist. Aber ich finde es gut, wenn heute ein Ausnahmetalent wie der Dortmunder mit 16 schon in der Lage ist Bundesliga zu spielen. Dann sollte man das auch machen, denn es gibt ja auch nicht so viele. Aber natürlich gibt es dann auch die, die hinten runterfallen. Man hat ja auch schon gesehen, dass junge Spieler dabei sind und auf einmal sind sie plötzlich weg vom Fenster. Aber die Vereine wissen schon, wie sie mit der Materie umgehen.
Sie haben im Europapokal als 18-jähriger in den Hexenkesseln von Neapel und Sevilla gespielt. Wie haben Sie sich als junger Kerl auf solche Highlights vorbereitet?
Das waren großartige Erlebnisse. Ich bin beeindruckt, wie gut sie recherchiert haben. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Das sind oft die Mittwochsspiele unter der Woche, für die man montags schon wegfliegt. Da hat man diese spezielle Atmosphäre. Das Land liegt in einem warmen Gefilde und wenn die Spiele dementsprechend abends stattfinden, dann ist das ist wunderschön. Aber man ist natürlich sehr aufgeregt, wenn man mit 18 Jahren UEFA-Cup spielt. Da muss man glaub ich gar nicht viel drüber reden, das ist für jeden Spieler ein Traum. Ich habe schon gar nicht mehr dran gedacht, aber das war echt cool.
Sie sind im Dezember 1985 von Kaiserslautern zu Eintracht Frankfurt gewechselt und haben wenige Wochen später den späten Ausgleich gegen den FCK erzielt. Haben Sie Genugtuung verspürt oder eher im Stillen gejubelt?
Was heißt Genugtuung, das war damals eigentlich eine ganz blöde Geschichte, weil ich frisch in Frankfurt war und nur einige Wochen später dann das Spiel auf dem Betze stattfand, wo man groß geworden ist. Und ich habe dann kurz vor Schluss das 1:1 gemacht, da war Gerry Ehrmann noch im Tor. Wenn wir uns heute ab und zu noch sehen, dann lachen wir darüber, wenn ich sage: „Guck mal, ich hab dir aus 20 Metern durch die Beine geschossen.“ Aber ich glaube ich habe mich in dem Moment über das 1:1 schon gefreut, weil ich Angestellter von Eintracht Frankfurt war. Auf der anderen Seite hat es mir auch schon leid getan, weil der FCK eigentlich mein Verein ist. Natürlich ist in dem Moment ein Glücksgefühl da, aber logischerweise ist das auch ein komisches Gefühl.
Viele sahen in Ihnen das ewige Talent. War der Wechsel nach Frankfurt so etwas wie die letzte Chance den großen Durchbruch doch noch zu schaffen?
Damals hat Dietrich Weise mich nach Frankfurt geholt und ich habe dann schon eine Chance gesehen nochmal durchzustarten. Dann kamen aber immer wieder Verletzungen, die mich zurückgeworfen haben und dementsprechend wird man von Verletzung zu Verletzung immer minimal langsamer. Und wenn das Knie mal kaputt ist, kommt man nie wieder so richtig auf die Beine. Es fehlt sozusagen die Unbekümmertheit, die man mit 18 hat, um sich zu sagen, man ist einer von den schnellsten Spielern und es kann dir niemand weglaufen. Aber wenn man dann 23 oder 24 ist und hatte schon 6-7 Operationen hinter sich, wird es immer schwerwiegender. Immer wieder Rehazentren, Aufbautraining, dann braucht man wieder Spielpraxis und einen Trainer, der einen unterstützt. Nach der Reha ist man nicht direkt wieder Topspieler. Man braucht dann erst wieder Praxis und somit wurde es für mich immer schwieriger. Und irgendwann merkt man selbst, man wird nicht mehr besser.
In Frankfurt ging es für Sie gut los. Aber schon in Ihrer zweiten Saison hatten Sie mit Verletzungen zu kämpfen und haben immer mehr den Anschluss verloren. Mit 25 Jahren mussten Sie Ihre Karriere schon beenden. Was ist das für ein Gefühl, wenn man so früh seinen Traum vom Profifußballer platzen sieht?
Das Gefühl kann ich gut beschreiben. Wenn man eine so schwere Verletzung hatte wie eine offene Luxationsfraktur, dann ist man froh, wenn man sein Bein nicht verliert. Das war so schwerwiegend, wenn eine Infektion reingekommen wäre, hätte mir das Bein amputiert werden müssen und dementsprechend war ich eigentlich sehr, sehr froh, dass ich danach mein Bein noch hatte. Für mich war dann auch klar, dass die Fußballkarriere zu Ende ist. Es war der gesundheitliche Aspekt, der überwogen hat. Aber natürlich ist es blöd, das Beste was du kannst dann nicht mehr ausüben zu können.
Gab es einen Plan B oder haben Sie sich voll und ganz auf Ihren Beruf Fußballprofi festgelegt?
Ich glaube kaum, dass ein Fußballprofi mit 23, 24 Jahren einen Plan B hat. Da ist man zuerst mal in der Fußballszenerie drin, will Gas geben und hofft, dass man die nächsten Jahre noch spielen kann. Ich glaube erst mit etwa 30 macht sich ein Fußballprofi Gedanken über seine Zukunft. Man bekommt das öfter mit, dass Spieler dann dastehen und nicht wissen, was sie machen sollen. Dann geht es meistens in die Spielerberater-Branche rein oder sie werden noch Trainer. Das sind aber schwierige Berufe. Ich kenne auch Einige, die noch im Fußballbereich unterwegs sind und denen es nicht so gut geht.
Glauben Sie, dass Sie in Ihrer Karriere alles richtig gemacht haben oder gab es Dinge, die Sie heute anders machen würden oder sogar bereuen?
Es ist logisch, dass man als 56-Jähriger sagt, man hätte bestimmt manche Dinge besser machen können. In der Zeit, als ich Fußball spielte habe ich bestimmt auch einige Fehler gemacht. Man ist jung und unbekümmert und man denkt man hat so ein bisschen das Revoluzzer-Dasein in sich. Das ist wie ein Kind, das später dann sagt, die Eltern hatten doch Recht. So war das auch bei manchen Trainern, bei denen ich dachte: „Ich verstehe nicht, was die alle so denken. Ich denke, dass ich Recht habe“. Heute sage ich, man hätte manche Dinge auch überdenken und besser machen können. Aber als junger Spieler geht das glaube ich vielen so.
Gehen Sie in Ihrer Freizeit noch ins Stadion?
Ab und an. Ich gucke meistens im Fernsehen die Spiele. Aber im Stadion vielleicht nur ein bis zwei Mal im Jahr. Das muss spontan sein, wenn ein paar Freunde fragen und das Wetter stimmt.
Stehen Sie noch mit ehemaligen Mannschaftskameraden in Kontakt oder haben sich gar Freundschaften entwickelt, die Sie heute noch pflegen?
Wenige muss ich sagen. Mit Dieter Trunk, der damals in Kaiserslautern gespielt hat. Wir sehen uns ab und an. Oder in Frankfurt, wenn ich mal eingeladen bin von ehemaligen Mitspielern. Da freut man sich dann schon. Mit Stefan Kuntz habe ich auch noch ein bisschen Kontakt. Es ist sonst immer viel über das Geschäft gelaufen. Herbert Hoos, mit dem ich früher gespielt hab, kommt als Kunde zu mir oder auch Werner Melzer.
Verfolgen Sie den FCK und die Eintracht noch?
Auf jeden Fall. Der FCK ist eine Herzensangelegenheit und die Eintracht natürlich auch. Diese zwei Vereine sind für mich die Wichtigsten.
Haben Sie eine Erklärung für den schrittweisen Niedergang des FCK?
Da müsste man zu weit ausholen. Ich glaube da sind zu viele Faktoren. Wenn ich mir das im Nachhinein angucke, dann gibt es eben viele Dinge, wie die WM, die man nach Kaiserslautern gebracht hat. Das war unheimlich schön für die Leute, aber es hat den Verein im Nachgang etwas ins Hintertreffen gebracht. Und dann war damals die Zeit mit Leuten wie beispielsweise Djorkaeff oder Sforza. Ich will da auch nicht darauf rumhacken. Wenn das alles gut gegangen wäre, dann hätte man gesagt es wurde alles richtig gemacht. Aber das sind natürlich so Kleinigkeiten. Es werden Spieler geholt, die dann nicht einschlagen, die Mannschaft hat dementsprechend keinen Erfolg und rutscht immer weiter ab. Damals als Wolfgang Wolf Trainer war haben wir in der Saison glaube ich 16 Mal Unentschieden gespielt und sind abgestiegen, obwohl wir gar keine schlechte Mannschaft hatten. Das liegt oft an einer Szene, ob der Ball reingeht oder an den Pfosten und schon hat man Punkte verloren. Am Ende der Saison ist man dann abgestiegen. Oder damals mit Leverkusen und Andi Brehme, da kann sich jeder noch dran erinnern, was das für eine knappe Geschichte war. Da sind wir auch abgestiegen. Wenn das damals alles nicht der Fall gewesen wäre und man vielleicht noch ein zwei gute Verpflichtungen getätigt hätte, dann würden wir eventuell heute noch Bundesliga spielen. Es ist sehr schwierig im Nachhinein noch darüber zu diskutieren. Aber ich denke, dass wegen der WM, die zwar eine tolle Sache war, zu viele Gelder geflossen sind. Da sind bestimmt einige Dinge falsch gemacht worden. Aber meine Meinung ist immer, dass Leute an den Pranger gestellt werden, obwohl die das auch nie für sich und den Verein wollten. Ob das ein Atze Friedrich war oder ein Stefan Kuntz. Die wollten auch alle durch die Stadt laufen und hoffen, dass jeder ihnen auf die Schulter klopft und sagt, das habt ihr gut gemacht. Ich habe deswegen auch immer Respekt vor Leuten, die Verantwortung übernehmen. Im Endeffekt ist es für diese Leute auch das Wichtigste, dass es dem Verein gut geht. Wenn es dann in eine falsche Richtung läuft, dann gibt es viele, die einem auf die Finger hauen und sagen, dass sie es gleich gewusst hätten. Deswegen muss neben Sachverstand auch immer Glück vorhanden sein und im Endeffekt sind immer die richtigen Transfers nötig. Wenn der Verein nämlich gewinnt ist alles gut und wenn er verliert ist vieles schlecht. Dann ist das Präsidium schlecht, der Verwaltungsrat und alles Sonstige.
Gab es Mitspieler, die Sie besonders beeindruckt haben?
Ja. Leute wie Andi Brehme, Briegel und Thomas Allofs. Und ganz großartig fand ich Ronnie Hellström. Eine überragende Persönlichkeit, der einfach so menschlich ist. Der ist auch heute noch ab und zu in Kaiserslautern, wenn ein Spiel ist. Man merkt direkt seine Beliebtheit in der Stadt, weil er einfach ein Mann vom Volk ist. Die sind bei mir wirklich hängen geblieben.
Hatten Sie ein Vorbild als Spieler?
Ich war immer schwer beeindruckt von meinem damaligen Trainer Ernst Diehl. Das war mein A-Jugend Trainer. Der war auch Profi und damals in der Jugend ein ganz, ganz harter Trainer, von dem man als junger Spieler unheimlich viel gelernt hat. Der hat mich auch ins Profidasein geführt und war sehr streng. Aber heute würde ich sagen, er hat mir am meisten beigebracht. Disziplin, Menschlichkeit, alles was man so braucht. Er war sozusagen mein Mentor.
Würden Sie Ernst Diehl also auch als Ihren besten Trainer bezeichnen?
Genau, weil er mir am meisten beigebracht hat. Und Dietrich Weise war natürlich auch jemand, der mich sehr gefördert hat. Dem bin ich auch sehr dankbar.
Wer waren Ihre unbequemsten Gegenspieler?
Gegen Karl-Heinz und Bernd Förster war es sehr unangenehm zu spielen.
Sie hatten unter anderem mit Spielern wie Andreas Brehme, Hans-Peter Briegel und Andreas Möller zusammengespielt. Gibt es Geschichten, an die Sie sich noch gerne zurückerinnern?
Andreas Brehme war für mich ein Spieler wie kein Zweiter. Der konnte mit rechts wie mit links schießen, da waren alle immer schwer beeindruckt. Jeder Spieler hat ja einen stärkeren Fuß und bei ihm wusste man nie genau, ob er einen Elfmeter jetzt mit rechts oder mit links schießt. Das konnte niemand auf der ganzen Welt und hat mich immer beeindruckt. Er war zwar nie der Schnellste, aber hatte ein tolles Stellungsspiel und war balltechnisch sehr versiert.
Hans-Peter Briegel war ein Sprintertyp und vom Kopfballtiming und der Sprungkraft eine absolute Maschine.
Andi Möller war natürlich eines der größten Talente in Deutschland. Für mich ein toller Mannschaftskamerad mit tollem Charakter, den ich sehr gemocht habe. Über seine Qualitäten muss man auch gar nicht viel reden, das weiß eigentlich jeder.
Welcher Ihrer Mitspieler war das größte Partytier?
Andi Brehme konnte ganz gut feiern. Auch Hannes Bongartz war immer gut unterwegs. In Frankfurt lief das alles etwas humaner. Thomas Berthold ist da immer ganz gern weggegangen.