Besuche auch unsere Facebook-Seite mit vielen Bildern, Videos und Berichten von früher!

Interview mit Thomas Eichin

"Effenberg hatte in keiner Situation Angst oder Respekt..."

Thomas Eichin spielte fast seine ganze Karriere für Borussia Mönchengladbach, bis auf ein kurzes Gastspiel in Nürnberg. Er hat uns von einem Rekord erzählt, den er für eine lange Zeit hielt und über Schwierigkeiten mit Trainer Jupp Heynckes.

Teilen

von Nico Petrowsky


Thomas Eichin, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen was Sie im Anschluss an Ihre Karriere machten und heute beruflich machen?

Im Anschluss an meine Karriere habe ich im Marketingbereich von Borussia Mönchengladbach als Marketingassistent gearbeitet und wurde ziemlich schnell Sponsoring- und Marketingleiter. Zeitgleich habe ich noch in der zweiten Mannschaft gespielt. Zweieinhalb Jahre später, also 1998, hatte ich dann ein kurzzeitiges Comeback in der Bundesliga, als ich noch vier Spiele gemacht habe. 1999 bin ich dann zu den Kölner Haien gewechselt und war dort 14 Jahre lang Geschäftsführer. Im Januar 2013 ging ich dann zu Werder Bremen und war dort ebenfalls Geschäftsführer bis 2016. Danach war ich auch bei 1860 München Geschäftsführer und zwischenzeitlich noch drei Jahre Geschäftsführer einer Vermarktungsagentur bei Pro7/Sat1. Seit 1.7.2020 bin ich jetzt bei Bayer Leverkusen Leiter des Nachwuchs- und Frauenfußball.


Kommen wir zu Ihrer Karriere. 1987 wurden Sie zum ersten Mal in der Bundesliga von Trainer Jupp Heynckes für Borussia Mönchengladbach eingesetzt. Welche Erinnerung haben Sie noch daran?

Da kann ich mich noch gut dran erinnern. Das war gegen Homburg und ich hätte in diesem Spiel, obwohl ich nicht der größte Torjäger war, fast ein Tor geschossen.


In der Saison 1986/87 spielten Sie erst keine Rolle. Bangten Sie damals schon um Ihre Profikarriere und hatten Sie eine Ausbildung absolviert, um beruflich einen anderen Weg einschlagen zu können, wenn es nötig gewesen wäre?

Nein, ich hatte keine Ausbildung in der Hinterhand. Ich hatte die mittlere Reife gemacht und für mich war immer klar, dass ich Profifußballer werde. Ich habe alle U-Mannschaften durchlaufen, von daher war für mich klar, dass ich Profi werde. Ich hatte mir das aber ehrlich gesagt einfacher vorgestellt, als es letztendlich war und wurde auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Ich musste erstmal gucken, wie ich mich im Profifußball zurechtfinde und zu diesem Zeitpunkt war es sicherlich ein Nachteil, dass ich keine Ausbildung gemacht hatte. Hier bei Bayer Leverkusen haben wir z.B. ein duales Ausbildungssystem für unsere Talente und ich kann nur begrüßen, dass das mittlerweile so gepusht wird. Damals hätte das bei mir sicher auch in die Hose gehen können, aber ich habe es trotzdem geschafft und mich im dritten Jahr ins Team gespielt.


Können Sie sich noch an Ihr erstes Profigehalt erinnern und wie Sie damit umgegangen sind?

Da kann ich mich sehr gut dran erinnern, das war für meine Verhältnisse damals ziemlich hoch, nämlich 3500 DM. Dieses erste Gehalt hatte ich auch relativ schnell wieder ausgegeben.


Gegen Ende der Saison schafften Sie es 1988 unter Wolf Werner zum Stammspieler, genau wie der blutjunge Stefan Effenberg. Wie haben Sie ihn als Mitspieler erlebt? Konnte man damals schon erahnen, dass er so eine Spielerkarriere hinlegen würde?

Das konnte man schon erahnen. Als er zu uns kam, war ich schon Stammspieler. Er trat da schon sehr selbstbewusst auf und hat versucht das Zepter an sich zu reißen. Das war damals schon eine Gabe von ihm und er hat zu dieser Zeit schon gerne Verantwortung übernommen und geführt. Die spielerischen und fußballerischen Qualitäten, wie er sie später zeigte, hatte er zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch nicht gehabt, aber er hat schon erahnen lassen was von den Führungsqualtäten her in ihm steckt.


Obwohl Sie als Defensivspieler viele Zweikämpfe führen mussten, sind Sie nie vom Platz gestellt worden. Welchen Tugenden haben Sie diese Tatsache zu verdanken?

Ich glaube, ich war immer ein sehr rauer Spieler und es war bestimmt auch nicht angenehm gegen mich zu spielen, weil meine Spielweise sehr aggressiv war und ich auch immer nah an der Grenze des Erlaubten war. Man muss dazu sagen, früher war auch einfach noch mehr erlaubt. Also mit den Dingen, die ich damals gemacht habe, würde ich heute wahrscheinlich kein Bundesligaspiel mehr überstehen. Aber ich wusste eben immer nach der gelben Karte, die ich sehr oft bekommen habe, wann Schluss ist und habe auch clever mit dem Schiedsrichter kommuniziert, sodass ich es geschafft habe in den ganzen Spielen nie vom Platz zu fliegen.


Ich muss Sie auch mit einem Thema nerven, zu dem Sie sich bestimmt häufig äußern mussten. Sie haben 180-mal in der Bundesliga gespielt, ohne ein Tor zu erzielen. Wie froh waren Sie, als Ihr Rekord gebrochen wurde?

Ach, gar nicht! Mich hat das viel weniger interessiert, als die meisten Menschen um mich herum. Ich bin in der Jugend als Stürmer ausgebildet worden und war ein richtiger Torjäger. Aber irgendwann hat mich Berti Vogts in der Juniorennationalmannschaft auf Verteidiger umgeschult, weil er gesagt hat, ich hätte als Verteidiger mehr Chancen, weit nach oben zu kommen. Und deswegen habe ich mich da so drauf konzentriert, dass ich den Willen ein Tor zu erzielen, komplett hintenangestellt habe. Dabei ist es dann auch leider geblieben. Aber es ist schon kurios, dass ich mit den Stürmerqualitäten, die ich in der Jugend hatte, kein Tor erzielt habe. Mich hat das selbst aber nie großartig gestört und als der Rekord gebrochen wurde, war ich ehrlichgesagt sogar ein bisschen traurig.


Sie waren einige Monate an den 1. FC Nürnberg in die 2. Bundesliga ausgeliehen. Dort trafen Sie dann doch einmal. Die Freude über dieses Tor hielt nicht lange. Erzählen Sie uns doch bitte etwas dazu.

In Nürnberg hatte ich eine etwas andere Rolle, also habe etwas weiter vorne gespielt. Im zweiten Spiel habe ich dann tatsächlich ein sehr schönes Tor mit dem linken Fuß geschossen, obwohl ich den eigentlich nicht sehr oft benutzt habe. Ich kann mich noch daran erinnern, wie das damals mit der Ausländerregelung war und es passte einfach zu meiner Geschichte, dass man dieses Spiel aus der Wertung genommen hat, weil der Trainer falsch gewechselt hat.


Für die Nationalmannschaft wurden Sie nie nominiert. Dafür wurden sie 1984 Europameister mit der U16-Juniorennationalmannschaft. Sie spielten mit Spielern wie Bodo Illgner und Stefan Reuter zusammen, die 1990 auch Weltmeister mit Deutschland wurden. Von vielen Spielern der U-Mannschaften hörte man im Profifußball allerdings nicht mehr viel. Was glauben Sie, ist für den Werdegang eines jungen Fußballers am wichtigsten?

Das ist schwierig zu beantworten. Ich glaube es ist schon wichtig, dass Spieler in diesen U-Mannschaften spielen. Wir hatten damals einen Sahnejahrgang mit Maurizio Gaudino, Peter Knäbel, Olaf Janßen und ich könnte noch viele weitere aufzählen. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass wir mit dieser Mannschaft mal ein Spiel verloren haben. Es war klar, dass aus dieser Mannschaft der ein oder andere mehr in der Bundesliga landen wird. Es ist aber auch entscheidend, zu welchem Verein man geht, ob man direkt spielt usw. Ich habe auch einige Zeit gebraucht, um überhaupt Fuß zu fassen. Stefan Reuter oder Bodo Ilgner haben es z.B. schneller geschafft. Man muss einfach erkennen, dass Jugend- und Herrenfußball zwei Paar Schuhe sind und deswegen schaffen es von der Prozentzahl teilweise auch so wenige in den Profifußball.


Als Leiter der Nachwuchsabteilung bei Bayer Leverkusen können Sie sicher beurteilen, worin die grundlegendsten Unterschiede in der professionellen Jugendarbeit der 80er und heute liegen.

Heute versucht man die Spieler schneller darauf vorzubereiten im Profitraining Fuß zu fassen. Deswegen sieht man heutzutage auch mehr Spieler, die mit 17 Jahren schon Bundesliga spielen. Man passt die Trainingsintensität einfach der des Profitrainings an und ist auch viel weiter, was leistungstechnische Dinge angeht, sprich Ausdauer, Kondition, Prävention. Da ist einfach unglaublich viel passiert.


Zurück zu Ihrer Karriere – Sie haben in Ihrer Karriere keine Titel geholt. Beschäftigt man sich mit solchen Tatsachen während und nach der Karriere?

Nein, ich bin dankbar, dass ich Profifußballer geworden bin und so viele Spiele auf hohem Niveau machen durfte. Ich hatte vielleicht das Pech, dass ich den Pokal mit Gladbach nicht gewonnen habe, obwohl ich die Spiele davor noch absolviert hab. Ich habe mich aber im Winter nach Nürnberg ausleihen lassen, um mehr Spielpraxis zu bekommen. Aber da darf man nicht jammern und ich trauere da auch nichts hinterher. Ich bin vielmehr dankbar, dass ich mit meinem Talent doch so viele Spiele machen durfte.


1992 schafften Sie es mit der Borussia ins DFB-Pokalfinale, wo Zweitligist Hannover 96 als krasser Außenseiter wartete. Wie gingen Sie damit um, dass Sie nicht spielen durften?

Ich würde sagen, 1992 war es ein Fehler mich nicht spielen zu lassen. Ich hatte da eine recht gute Phase und das ärgert mich im Nachhinein vielleicht noch am meisten, dass ich mich da dem Trainer ein wenig unterworfen habe.


Sie spielten fast Ihre gesamte Zeit als Profi bei Borussia Mönchengladbach. Hat Sie ein Wechsel nie gereizt?

Nein, es gab zwar hin und wieder mal die Situation zu wechseln, aber die jeweiligen Trainer haben mich immer überzeugt zu bleiben. Grundsätzlich glaube ich auch, dass das die richtige Entscheidung war. Natürlich kann man jetzt sagen, dass meine Karriere durch einen Wechsel anders verlaufen wäre, aber ich trauere auch hier nicht hinterher. Ich habe diese Entscheidung so getroffen und das ist auch gut so.


Würden Sie alle sportlichen Entscheidungen, die Sie in Ihrer Karriere getroffen haben, so wieder treffen?

Ich glaube, ich würde es genauso wieder machen, auch mit dem heutigen Wissen. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Karriere und auch mit dem Weg, den ich danach eingeschlagen habe.


Ihre Karriere beendeten Sie schon mit 32 Jahren? Hat Sie eine Verletzung dazu gezwungen, oder war für Sie einfach der Zeitpunkt gekommen, die Bühne zu verlassen?

Ich habe sie im Prinzip schon mit 30 Jahren beendet. Bei den zusätzlichen vier Spielen war ich schon Marketingleiter, also das war schon eher ein Kuriosum, dass man quasi vom Schreibtisch aufsteht, zwei Trainingseinheiten macht und plötzlich wieder spielt. Ich habe mich aber immer fit gehalten und deswegen war das möglich zu diesem Zeitpunkt. Heute wäre das undenkbar. Aber ich habe die Karriere deswegen so früh beendet, weil ich gemerkt habe, dass ich sie nur künstlich verlängern würde. Ich konnte diese Ansprüche, welche ich selbst an mich hatte, nämlich Stammspieler in einer Bundesligamannschaft zu sein, nicht mehr halten. Für mich war das so die richtige Entscheidung.


Ist es Ihnen schwer gefallen die Schuhe an den Nagel zu hängen?

Das ist mir damals nicht schwergefallen. Ich konnte ja auch sicherstellen, dass ich weiter Sport treiben konnte und hatte auch die Möglichkeit in der zweiten Mannschaft zu kicken. Ich wollte einfach meine Karriere nicht künstlich verlängern und auf Teufel komm raus Fußballprofi bleiben. Ich habe nebenbei studiert und für mich war auch klar, dass ich meine Trainerlizenz mache und habe dann ja auch im Management angefangen.


Gab es Mitspieler, die Sie beeindruckt haben?

Es gab viele Mitspieler, die mich natürlich fußballerisch beeindruckt haben. Weil wir es vorhin schon von Stefan Effenberg hatten - ich habe schon bewundert, mit welchem Selbstbewusstsein er ins Training und in die Spiele ging. Der hatte in keiner Situation Angst oder Respekt, sondern war sich jedes Mal sicher, dass er abliefert und hat das auch auf die Mannschaft übertragen.


Pflegen Sie heute noch Freundschaften mit früheren Mannschaftskameraden?

An für sich nicht. Einen regelmäßigen Austausch habe ich noch mit Michael Frontzeck oder auch mit Christian Hochstätter und Uwe Kamps. Aber es ist nicht so, dass ich mich wöchentlich mit den Jungs treffe, sondern man freut sich eher, wenn man sich mal sieht. Man hat ja doch viele Leute kennengelernt und wenn man sich trifft, freut man sich und spricht über alte Zeiten. Aber regelmäßigen Kontakt habe ich eigentlich nur mit Michael Frontzeck.


Wen würden Sie als Ihren unbequemsten Gegenspieler bezeichnen?

Ich weiß, dass Matthias Sammer mal gesagt hat, dass ich sein unbequemster Gegenspieler war. Aber ich persönlich fand Fritz Walter sehr unangenehm zu bespielen. Den hat man 85 Minuten ausschalten können und dann hat er trotzdem mit zwei Aktionen ein Spiel entschieden. Das waren Spielertypen, die ich als Verteidiger nicht mochte, weil sie nicht viel am Spiel teilgenommen haben, aber trotzdem zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren.


Sie haben auch mit vielen Trainern gearbeitet. Welcher Ihrer Trainer hat am meisten Eindruck hinterlassen?

Auch wenn ich eher negative Erfahrungen unter ihm gemacht habe, weil ich eben nicht viel gespielt habe, war das trotzdem Jupp Heynckes.


In welchen Stadien sind Sie am liebsten zu Gast gewesen?

Also ich persönlich fand es immer sehr spektakulär auf dem Betzenberg zu spielen. Die aufgeheizte Stimmung und die Zuschauer, da habe ich mich immer sehr drauf gefreut.


Zum Abschluss würde ich Ihnen gerne einige Namen ehemaliger Weggefährten nennen und Sie darum bitten, in aller Kürze aufgrund persönlicher Erfahrungen, etwas zu ihnen zu sagen:

Uwe Rahn: Super Typ und ein Schlawiner. Ein cooler Fußballspieler.


Martin Dahlin: In Schweden bekannt wie ein Popstar und ein ganz, ganz lustiger Zeitgenosse.



Uwe Kamps: Lange mein Zimmergenosse. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht. In letzter Zeit sind die Wege leider etwas auseinander gegangen und man sieht sich nicht mehr so oft. Aber ich habe die gemeinsame Zeit mit ihm in sehr guter Erinnerung.


Kalle Pflipsen: Ein super Talent, hat aber aus seinen begnadeten Fähigkeiten wahrscheinlich ein bisschen zu wenig gemacht.


Jupp Heynckes: Eine beeindruckende Person. Er war damals als Trainer unglaublich ehrgeizig und es war als junger Spieler wie mich nicht ganz einfach mit ihm klar zu kommen.



 

Teilen

Share by: