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Interview mit Dirk Greiser

"Hertha BSC hat mein Gehalt halbiert."

Dirk Greiser wurde erst spät Profi bei Hertha BSC Berlin und musste schon nach wenigen Jahren seine Karriere veletzungsbedingt beenden. Er sprach mit uns über trinkfreudige Isländer und über die Vereinnahmung seiner Person zu Profizeiten.



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von Mario Gailing



Dirk Greiser, bevor wir uns mit der Vergangenheit befassen. Was haben Sie im Anschluss an Ihre Karriere gemacht und was machen Sie heute beruflich?
Ich hatte ja bereits, nachdem ich bei Tennis Borussia Berlin Profi war und bevor ich bei Hertha BSC einen Profivertrag unterschrieb, das 1. Jura-Staatsexamen nach einem 6-jährigen, parallelen Studium absolviert, sodass ich, nachdem ich bei meiner Zeit bei Wattenscheid 09 leider Sportinvalide wurde, nahtlos an das 1. Staatsexamen anknüpfen und mein Referendariat als Jurist in Berlin beginnen konnte. Das 2. Staatsexamen habe ich dann 1995 abgelegt, bin zunächst angestellter Anwalt geworden und betreibe letztlich seit 1997 meine eigene Anwaltskanzlei. Dort habe ich vorrangig mit Immobilienrecht, Arbeitsrecht und in diesem Zusammenhang insbesondere auch mit Mandaten mit Sportbezug zu tun. Bei Hertha BSC habe ich in dieser Funktion insbesondere die Vertragsauflösung mit Lucien Favre und das Sportgerichtsverfahren als Folge der Stadion-Erstürmung beim Nürnberg Spiel für Hertha BSC betreut.


Sie haben erst mit 25 so richtig zum Profifußball gefunden, als Sie 1988 zu Hertha BSC Berlin gewechselt sind. Wie kam es zu diesem späten Einstieg?
Leider hatte ich mich bereits in meinem ersten Jahr als Spieler bei Tennis Borussia Berlin erheblich und im Jahr darauf nochmals verletzt und musste operiert werden, sodass mir die parallele Gestaltung meines späteren Berufslebens wichtig war. Ich habe daher auch mehrere Angebote, z.B. von Hannover 96 u.a., ausgeschlagen, um mein Studium voranzutreiben.


Haben Sie vorher bei Tennis Borussia Berlin und Wacker Berlin schon hauptberuflich Fußball gespielt oder hatten Sie nebenbei einen Job?
Der Aufwand bei Tennis Borussia war dem hauptberuflichen Fußball fast gleichzustellen, weshalb Tennis Borussia auch jedes Jahr mehrere ehemalige Bundesligaprofis verpflichtete. Die Station bei Wacker stand unter einem anderen Stern, da ich in diesem Jahr das 1. Staatsexamen ablegte und diesem Unterfangen vieles unterordnen musste. Trotzdem war es eine perfekte Saison für mich, die darin endete, dass ich im Sommer mit der mündlichen Prüfung das 1. Staatsexamen ablegte und tags darauf den Vertrag bei Hertha BSC unterschrieb.



1990 schafften Sie mit Hertha den Aufstieg in die Bundesliga. Was fühlt man als Fußballer, wenn man plötzlich Bundesligaspieler ist?
Wir haben damals mit dem ganzen Team extrem fokussiert an einer erfolgreichen Saison gearbeitet, bis wir alle realisierten, dass es auch ganz nach oben gehen kann. Wir hatten diesem Ziel dann alles untergeordnet, sodass ein Genießen des Erfolges erst relativ spät möglich war. So richtig hat sich die Anspannung dann erst bei der Saison-Abschlussfahrt gelöst, bei der wir realisierten, dass wir uns innerhalb von zwei Jahren von einem Abstiegskandidaten in der 2. Liga zu einem Aufsteiger entwickelt haben. Ich kann Ihnen versichern, dass wir diese Glücksmomente sehr ausgiebig gefeiert und untereinander geteilt haben.


An den ersten vier Bundesligaspieltagen waren Sie Stammspieler, bis Sie in Kaiserslautern zur Halbzeit ausgewechselt wurden und erst ein halbes Jahr später wieder auf dem Platz standen. Was war damals los?
Gegen Kaiserslautern habe ich mir den Bandapparat des Großzehengrundgelenkes am rechten Fuß gerissen, dessen Verheilung mit ca. zwei Monaten kalkuliert war. Ich hatte im Jahr zuvor lange mit einer offen erkannten Meniskus-Läsion gespielt, weshalb ich durchgehend und unvermindert große Schmerzen im linken Knie hatte, in dem dann eine Bakerzyste und ein Bänderriss diagnostiziert wurde. Dies zusammen hat dann dazu geführt, dass ich leider erst in der bereits laufenden Rückrunde wieder zum Team stoßen konnte.


Zum Ende der Saison hatten Sie wieder Ihren Stammplatz, wechselten aber trotzdem 1991 zu Wattenscheid 09. Warum gingen Sie als Stammspieler und waschechter Berliner zu einem Verein, der im Gegensatz zu Berlin wie tiefste Provinz wirkte?
Ich hatte mit Hertha BSC Einigkeit über die Fortsetzung des Vertrages erzielt, wollte aber auch Klarheit über die Person des Trainers. Als dann der DFB die Lizenz an Hertha BSC nur unter erheblichen Auflagen erteilte, halbierte Hertha BSC mein ursprüngliches Gehalt, was einer Kündigung des Vertrages gleichkam. Ich habe dann auch nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Trainingsteilnahme den Weg nach Wattenscheid gesucht. Wattenscheid ist ja bekanntlich ein Teil von Bochum und liegt damit im Fußballgebiet Nr. 1 in Deutschland, sodass ich mich diesbezüglich alles andere als in der Provinz fühlte. Ich habe direkt in Wattenscheid gewohnt, bin aber mit dem Auto 5 Minuten in einer Richtung nach Essen und 5 Minuten in die Andernach Gelsenkirchen gelangt. sodass eine ähnliche Konstellation vorhanden war, als wenn man von Charlottenburg nach Wilmersdorf und in die andere Richtung nach Spandau fährt. Insgesamt eine tolle Zeit, in der auch unser zweiter Sohn geboren wurde, die ich nicht missen möchte.


Auch in Wattenscheid lief es anfangs sportlich gut für Sie, ehe Sie im Dezember 1991 Ihr letztes Spiel für knapp fünf Monate machten und danach nur noch zu zwei Kurzeinsätzen kamen. Was war hier der Grund?
In Wattenscheid traten dann meine Probleme mit dem linken Knie verstärkt auf, die so erheblich wurden, dass mir Dr. Müller-Wohlfahrt und andere Mediziner dazu rieten, mein Knie nicht weiter zu strapazieren. Ich habe dann meinen Vertrag ganz schweren Herzens auflösen müssen und meine Karriere beendet.


Im Gegensatz zu vielen anderen Spielern aus diesen Zeiten haben Sie sich im Anschluss an Ihre Karriere ein zweites Standbein aufgebaut. Was glauben Sie ist der Grund dafür, dass so viele ehemalige Spieler in finanzielle Schwierigkeiten nach der Karriere geraten?
Du musst als Spieler, aber allgemein als Mensch immer genau wissen, was deine Wurzeln sind, was für dich wichtig ist und auf was du nie verzichten willst. Hast du diese Orientierung nicht, kommst du dann durch schnellen Erfolg, viel Geld u.a. schnell etwas vom Ziel ab. Es kann dann schwer werden, den richtigen Weg zu finden. Für mich kam es nie infrage, den Fußball vor die berufliche Weiterbildung zu stellen, weil ich wusste, dass da noch 35 Jahre kommen, in denen ich einen ausfüllenden und interessanten Beruf ausüben will. Deshalb habe ich nach den ersten Verletzungen mich nie vollständig für den Fußballsport entschieden, was ich erst vorübergehend machte, als ich schon einen beruflichen Abschluss hatte. Für viele Spieler ist es sicherlich schwer, nach einer Karriere mit Beachtung, Begeisterung und Geld sich wieder auf etwas Neues einzustellen. Auch wenn mein erster Job als Anwalt kein Volltreffer war, hatte ich immer eine feste Orientierung.


Gibt es bestimmte Spiele oder Szenen, an die Sie sich besonders gerne zurückerinnern?

Ich träume so regelmäßig vom Fußball, dass es mir eigentlich keiner glauben will. Inhalt sind aber nicht bestimmte Spiele oder Szenen, sondern Begebenheiten mit den ehemaligen Kollegen. Mit denen treffe ich mich auch heute noch regelmäßig und telefoniere, wobei ich mich an ganz viele Dinge gerne zurückerinnere. Das sind zum einen die Derbys mit Blau-Weiß 90 Berlin, natürlich auch das Spiel gegen Union oder davor insbesondere gegen Bayern München im gut besuchten Olympiastadion. Das Union-Tor wird mir natürlich andauernd noch gezeigt, ohne dass ich an den Vorgang selbst eine nähere Erinnerung hätte.


Welchen Trainer würden Sie als Ihren besten Trainer bezeichnen und warum? 
Werner Fuchs war für die damalige Zeit ein außergewöhnlicher Trainer. Akribisch, detailbesessen und immer bemüht, die einzelnen, insbesondere die jungen Spieler besser zu machen. Seine Ansprache und Kommunikation war motivierend, auch wenn seine jeweils langen Video-Analysen manchmal nerven konnten.


Gab es Mitspieler, die Sie beeindruckt haben?
Ich hatte bei Tennis Borussia schon mit vielen ehemaligen Nationalspielern und Spitzenspielern das Vergnügen gehabt. Bei Hertha BSC war das von Anbeginn an Walter Junghans, der ein absolutes Vorbild in Trainingsfleiß, Teamgeist und positiver Ausstrahlung war. Wir sind in der damaligen Zeit zu besten Freunden geworden, was dazu führte, dass ich ihn auf allen seinen weiteren Stationen in Köln, Leverkusen, Lissabon, Bilbao und München begleitet habe und es noch heute tue.


Hatten Sie ein Vorbild auf dem Fußballplatz?
Als junger Fußballer habe ich für Günter Netzer geschwärmt, wobei sich diese schwärmerische Verbundenheit mit anderen mit zunehmendem Jugend-Alter verwachsen hat. Es gab dann viele Spieler, deren sportliche Leistungsfähigkeit und Verhalten ich besonders vorbildlich empfand, Vorbilder in dem Sinne gab es aber nicht mehr.


Man hört häufig, dass es im Profifußball in der damaligen Zeit auch neben dem Platz ordentlich zur Sache ging und viele Spieler, Trainer und Funktionäre einen nicht ganz so professionellen Lebenswandel hatten. Hand aufs Herz, wie war das damals?
Wir hatten auch viele Spieler, die in ihrer aktiven Zeit geraucht haben. Darüber hinaus haben einige auch den Alkoholkonsum sicherlich deutlich übertrieben, zumindest bis Dienstag oder Mittwoch der laufenden Woche. Ich bin aber nie angerufen worden, um als Kapitän den einen oder anderen aus einer kniffligen Situation zu befreien.


Wer war Ihr trinkfestester Weggefährte, der größte Partylöwe zu Ihrer Zeit als Fußballer? 
Der war bei TeBe Berlin und hieß Sigurdsson. Ein Isländer, der offensichtlich meinte, dass durchsichtige Getränke nur Wasser sein können.


Gehen Sie in Ihrer Freizeit noch in Fußballstadien oder sind Sie „satt“? 
Ich bin alles andere als satt. Ich war ab 2004 erst vier Jahre Aufsichtsrat bei Hertha BSC und dann bis jetzt sportlicher Berater des Präsidiums und sehe jedes Spiel in Berlin im Stadion, sowie die anderen Spiele auf Sky. In meiner Umgebung ist es nicht ganz ungefährlich, sodass ich gerne Besucher im Stadion vorwarne. Dass zu Hause dann keine Fremden dabei sind, ist für alle Beteiligten ebenfalls das Beste.


Wie hat Sie die Stimmung im Stadion beeinflusst? Gab es Stadien in denen Sie nicht gerne, bzw. sehr gerne gespielt haben?
Natürlich habe ich immer dort am liebsten gespielt, wo es voll war. Auf dem Betzenberg, im Westfalenstadion und auch in Bochum, wo wir mit Wattenscheid die Heimspiele gegen Revier-Rivalen durchführten. Dort war die Stimmung immer grandios. Ich kann mich aber auch noch an ein Aufstiegsspiel in Osnabrück mit TeBe und auch in Essen entsinnen, bei dem die Atmosphäre grandios war. In Berlin galt dies natürlich maßgeblich nur für die besser besuchten Spiele, wobei ich das Olympiastadion bis heute über alle Maßen liebe und es nach wie vor als meine Heimat betrachte. Trotzdem bin ich für ein neues Stadion, um dies an dieser Stelle mal kurz einzuwerfen.


Glauben Sie, dass Sie in Ihrer Karriere alles richtig gemacht haben oder würden Sie heute etwas anders machen?
Niemand macht in seinem Leben oder seiner Karriere alles richtig. Ich hätte mich früher gegen die Vereinnahmung meiner Person in Zeiten, in der ich verletzt war, wehren müssen. Die negativen Folgen trage ich bis heute, die entsprechend schmerzhaft sind. Ich hätte mir in der damaligen Zeit auch mehr Fachkompetenz und ein Gegensteuern des Vereins gewünscht; die Dinge waren allerdings nicht ansatzweise so entwickelt, wie sie es heute sind.



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