"Klaus Augenthaler und Hans Pflügler waren in der Weißbierfraktion weit vorne."
Manni Bender spielte in der Bundesliga für Bayern München, Karlsruhe und 1860 München. Mit den Bayern wurde er zweimal Deutscher Meister.
von Nico Petrowsky
Manni Bender, bevor wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, möchten wir gerne wissen was Sie im Anschluss an Ihre Karriere gemacht haben und was Sie heute beruflich machen?
Das ist aber eine lange Geschichte! Meine Karriere ist immerhin schon eine Zeit lang her. Nachdem ich 2003 aufgehört habe, habe ich meinen Fußballlehrer und die ganzen Trainerscheine gemacht. Ich war dann etwa zehn Jahre im österreichischen Fußball aktiv, wo ich in der ersten, zweiten und dritten Liga trainiert habe. 2017 habe ich in Österreich aufgehört. Danach war ich nochmal kurz in der Regionalliga bei Pipinsried und bei Türkspor Augsburg, mit denen ich in die Bayernliga aufgestiegen bin. Nebenbei habe ich mir unter anderem als Markenbotschafter über die Jahre ein Netzwerk aufgebaut. Seit ca. einem Jahr bin ich in der Unternehmensberatung tätig. Vor drei Monaten haben wir zusammen mit dem ehemaligen Audi Vorstandsvorsitzenden Rupert Stadler ein Start-up zu digitalem Marketing mit dem Namen Newonads gegründet. Dort bin ich viel mit Fußballvereinen unterwegs, um Kontakte herzustellen. Dieses Start-up aufzubauen, ist aktuell meine Hauptaufgabe.
Sie begannen Ihre Karriere in Unterhaching. Nach dem Aufstieg in die zweite Bundesliga 1989 wechselten Sie zum großen FC Bayern. Wie entstand der Kontakt und wie liefen die Vertragsgespräche ab?
Ich hatte eigentlich schon dem 1. FC Köln zugesagt. Zwei Tage später hat Uli Hoeneß bei mir angerufen und gefragt, ob ich zum FC Bayern kommen möchte. Ich sagte, dass er leider zwei Tage zu spät dran ist und ich Christoph Daum schon zugesagt habe. Er fragte, ob ich schon irgendwas unterschrieben hätte. Ich antwortete, dass ich noch nichts unterschrieben habe. Er sagte dann, ich solle noch etwas abwarten und am nächsten Tag rief er wieder an. „Und hast du Interesse zum FC Bayern zu kommen?“ Ich sagte: „Ja, natürlich“. Dann haben wir ein Treffen ausgemacht und verhandelt. Das war zu den Zeiten als sich Kölns Christoph Daum und Bayern-Trainer Jupp Heynckes gerade so richtig gezofft haben.
Sie waren nun Teil einer Mannschaft, die mit gestandenen Spielern wie Klaus Augenthaler, Jürgen Kohler oder Olaf Thon besetzt war. Wie war das mit der Hierarchie bei den Bayern und wie wurden Sie aufgenommen?
Im Gegensatz zu heute, gab es damals ja tatsächlich noch eine Hierarchie in der Mannschaft. Man musste sich durch Koffer- und Toretragen erstmal seinen Platz verdienen. Ich war allerdings immer relativ frech und habe mir auch nichts gefallen lassen. Die Antwort habe ich dann meistens auf dem Trainingsplatz gegeben. Obwohl die Bayern damals auch Brian Laudrup oder Stefan Effenberg für Zigmillionen gekauft haben, habe ich in meiner ersten Saison trotzdem rund 20 Spiele gemacht. Und das als Amateurspieler. Da hatten andere Spieler mit einem höheren Stellenwert deutlich weniger Einsätze.
Ihre ersten Bundesligaeinsätze hatten Sie auf dem Bökelberg in Gladbach und dem Betzenberg in Kaiserslautern. Waren Sie nervös, als Sie, statt auf spärlich besuchten Unterhaching-Spielen, in diesen ausverkauften Kultstätten des deutschen Fußballs aufliefen?
Man ist eigentlich immer nervös, egal, ob es das erste Bundesligaspiel ist oder das Zweihundertste. Wenn der Schiedsrichter anpfeift, ist man aber so fokussiert, dass man das alles ausblendet und versucht sein eigenes Potenzial bestmöglich abzurufen.
Wie hat Trainer Jupp Heynckes Sie als jungen Kerl auf diese Umstellung vorbereitet?
Jupp Heynckes war ein sehr akribischer Arbeiter. Wenn man da als junger Spieler mal ein paar Minuten zu spät zum Training gekommen ist, dann gab es einen Anpfiff, sodass man nicht mehr wusste wo hinten und vorne ist. Er hat einem da disziplinarisch sehr viel vermittelt.
In Ihrer ersten Saison warteten bereits Highlights auf Sie, wie die Halbfinalspiele gegen den AC Mailand im Europapokal der Landesmeister. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Spiele gegen Weltstars wie Maldini, Baresi oder Marco van Basten?
Das war mein erstes Europapokalspiel, das ich von Anfang an gemacht habe. Halbfinale in San Siro. Das werde ich nie vergessen. Wenn man einläuft und neben einem stehen van Basten oder Maldini. Das waren ja alles Weltstars und man hat schon respektvoll hingeschaut. Nach dem Anpfiff wird aber vergessen wer da auf dem Platz steht. Dann versucht man immer zu gewinnen. Leider sind wir damals unglücklich in der Verlängerung ausgeschieden.
Zwei Wochen nach diesem dramatischen Ausscheiden, wurden Sie deutscher Meister. Können Sie sich noch an die Feierlichkeiten erinnern? Welcher Mannschaftskamerad war damals das größte Feierbiest?
Damals konnte jeder feiern, das kann ich garantieren. Erland Johnson war eine richtige Maschine. Klaus Augenthaler und Hans Pflügler waren in der Weißbierfraktion weit vorne. Manni Schwabl und ich waren ja auch richtige Ur-Bayern. Da haben wir wirklich eine schöne Weißbierfraktion gebildet.
Kurz danach ist der große FC Bayern in der ersten Runde des DFB-Pokal gegen den Oberligisten FV Weinheim sensationell ausgeschieden. Erzählen Sie uns doch, wie es dazu kommen konnte.
Auch da stand ich auf dem Platz. Wenn man sich die Pokalhistorie der letzten 30 Jahre anschaut, dann hat es so gut wie jeden Verein wohl mal in der ersten Runde erwischt.
Im Europapokal der Landesmeister 1991 war auch wieder im Halbfinale Endstation. Dieses Mal im Hexenkessel von Roter Stern Belgrad. Nach Ihrem Führungstreffer, unterlief Augenthaler in der letzten Minute ein Eigentor, bei dem auch Torwart Aumann ganz schlecht aussah. Wie ist die Mannschaft danach mit den beiden umgegangen?
Dieses Spiel werde ich auch nie vergessen. Auge konnte da im Prinzip gar nichts für. Da kam eine scharfe Flanke und Auge hat den Ball ein bisschen abgefälscht. Eigentlich ist der Ball nur harmlos nach oben geflogen. Der gravierende Fehler war dann eher von Aumann, der den Ball über die Latte boxen wollte. In dem Moment, als er den Ball klären wollte, ist aber ein Stürmer auf ihn zugelaufen und da hat er wohl kurz hingeschaut, den Ball aus den Augen verloren und er ist hinter ihm ins Tor gefallen. Man hat da im Nachhinein aber auch niemandem einen Vorwurf gemacht. Ich glaube, dass Aumann sich selbst am meisten geärgert hat. Aber so ist Fußball. Jeder hat mal eine unglückliche Aktion. Auch in wichtigen Spielen.
In derselben Saison ging auch die Meisterschaft nach Kaiserslautern und zu Anfang der neuen Saison flog man gegen den FC Homburg aus dem DFB-Pokal, sowie nach einer ebenso peinlichen 2:6-Niederlage gegen Kopenhagen aus dem UEFA-Cup. Diese Misserfolge und der Absturz in der Bundesliga auf Platz 10, kostete erst Heynckes, dann Sören Lerby den Job. Wie standen Sie zu den Trainer-Entlassungen?
Die Entlassung von Jupp Heynckes war natürlich bitter. Aber auch damals waren die Fußballgesetze schon so. Die Mannschaft kann man nicht auswechseln, also versucht man durch einen neuen Trainer Impulse zu setzen. Hoeneß hatte damals wirklich Angst, dass wir in den Abstiegskampf rutschen und er hatte dann eben diese Idee mit Sören Lerby. Sören Lerby war damals einfach noch nicht so weit und es war auch besser, dass er Spielerberater geworden ist.
Nach diesem Seuchenjahr wechselten Sie zum KSC, der sich daraufhin über Jahre in den oberen Tabellengefilden etablierte. Was hat den KSC so stark gemacht, obwohl mit Mehmet Scholl das Megatalent zum FC Bayern abgewandert ist?
Wir waren eine Mannschaft mit richtigen Typen, wie z.B. Rainer Schütterle, „Euro Eddy“ Edgar Schmitt oder Oliver Kahn. Wir hatten da schon eine bärenstarke Mannschaft und es hat auch von den Charakteren top zusammengepasst.
In der Saison 93/94 spielten Sie mit dem KSC im UEFA-Cup. Gegen den spanischen Tabellenführer FC Valencia geschah nach einer 1:3-Niederlage im Hinspiel das „Wunder vom Wildpark“ und die Spanier wurden mit 7:0 nach Hause geschickt. Wie kann man dieses Spiel erklären?
Es hat einfach alles gepasst. Wir hätten auch nach 15 Minuten mit 2:0 hinten liegen können. Oli Kahn hat da zweimal super gehalten. Mit dem ersten richtigen Angriff haben wir dann direkt das 1:0 gemacht, mit dem zweiten das 2:0 und mit dem dritten das 3:0. Über den Rest braucht man nicht reden: Ausverkauftes Stadion und eine Stimmung vom allerfeinsten. Wir haben gegen Eindhoven, Porto oder Bordeaux auch super Spiele gemacht. Das waren ebenfalls internationale Größen. Wenn man im Nachhinein überlegt, wer bei Bordeaux alles aufgelaufen ist: Lizarazu, Dugarry oder Zidane. Das war eine wahnsinnige Mannschaftsaufstellung.
Wie waren Ihre Gedanken vor diesem Spiel? Haben Sie noch an ein Weiterkommen geglaubt?
Ja, natürlich. In Valencia haben wir in der 88. Minute noch das 3:1 gemacht. Wir wussten, dass es machbar war, zwei Tore aufzuholen. Je mehr Tore wir geschossen hatten, umso verunsicherter wurden die Spieler von Valencia. Und unsere Brust wurde natürlich immer breiter. Anschließend ist bei Valencia ja auch alles zurückgetreten.
Sie schafften es unter die letzten vier und scheiterten auch in Ihrem dritten europäischen Halbfinale, äußerst knapp, durch ein mehrgeschossenes Auswärtstor gegen Salzburg. Wie verdaut man sowas als Spieler, wenn man innerhalb von vier Jahren dreimal so knapp den Sprung ins Finale verpasst?
Beim dritten Versuch kann ich mich noch rausreden, weil ich mir vor dem ersten Halbfinale das Kreuzband gegen Freiburg gerissen habe. Ich war bei diesen zwei Spielen leider nicht dabei und kann behaupten: „Mit mir wäre das nicht passiert.“
1996 haben Sie es endlich in ein Finale geschafft. Allerdings ging das DFB-Pokalfinale in Berlin gegen den Bundesligaabsteiger 1. FC Kaiserslautern mit 0:1 verloren. War man sich da auf Seiten des KSC in seiner Favoritenrolle zu sicher?
Zu sicher glaube ich nicht. Für viele war das eigentlich das erste richtige Finale. Da war die Nervosität vielleicht so groß, dass wir unser Potenzial nicht 100-prozentig abrufen konnten. Der abgefälschte Freistoß zum Siegtreffer für den FCK war aus unserer Sicht natürlich auch sehr unglücklich. Kaiserslautern wollte nach dem Abstieg natürlich nochmal alles in dieses Spiel reinlegen. Vielleicht hätten wir gewonnen, wenn Kaiserslautern nicht abgestiegen wäre.
Warum verließen Sie den KSC nur wenige Monate später in Richtung 1860 München? Hatten Sie als Ur-Münchner Heimweh oder sahen Sie keine Zukunft in Karlsruhe?
Ich war vier Jahre beim KSC und in dieser Zeit hat man auch den ein oder anderen Konflikt mit Winnie Schäfer ausgetragen. Ich spürte auch, dass Schäfer nicht mehr so wirklich mit mir plante. Nach vier erfolgreichen Jahren wollte ich mich da nicht demontieren lassen. 1860 wollte mich vorher auch schon mal haben und so wurde erneut der Kontakt zu Werner Lorant gesucht. Die Rückkehr nach München war dann eine relativ schnelle Geschichte.
Ihr neuer Trainer Werner Lorant war als „Schleifer“ bekannt. Wie haben Sie die Trainingseinheiten unter ihm erlebt?
Anstrengend. Ich hatte mir das ehrlichgesagt auch ein wenig anders vorgestellt. Ich dachte, dass ich mit meinen knapp 200 Bundesligaspielen als erfahrener Spieler zu Sechzig komme und dementsprechend auch mal die eine oder andere Pause erhalte. Ich dachte nicht, dass ich die ganzen Laufeinheiten der 18- und 20-Jährigen mitmachen muss. Leider habe ich mich da getäuscht. Ich war bei allen Einheiten immer dabei und im Nachhinein hat mein Körper das nicht mehr so verkraftet. Ich bin dann in drei Jahren nur auf knapp 60 Spiele gekommen, weil ich mit vielen kleineren Verletzungen zu kämpfen hatte.
Nachdem Ihre Einsatzzeiten deutlich geringer wurden, wechselten Sie in die zweite Bundesliga für ein kurzes Intermezzo zurück zum KSC, sowie im Anschluss zum 1. FC Saarbrücken, wo Sie Ihre Profikarriere auch in der zweiten Bundesliga beendeten. Ist es Ihnen schwergefallen, die große Bühne Profifußball zu verlassen?
Nein eigentlich nicht. Ich habe allerdings auch spät angefangen und bin dann erst mit 23 Profi geworden. 2003 war ich 37, da war es auch einfach an der Zeit. In Saarbrücken hatte ich aber auch nochmal eine tolle Zeit und einen schönen Abschluss.
Hatten Sie sich nie einen Einsatz in der Nationalmannschaft erhofft? Können Sie sich vorstellen, dass Sie nie eingeladen wurden, weil sich in der Öffentlichkeit das Bild vom „schlampernden Genie“ durchgesetzt hat?
Ich war tatsächlich einmal beim Lehrgang gegen Russland dabei. Allerdings habe ich keinen Einsatz bekommen. Es war aber auch eine schwere Zeit, um in die Nationalelf reinzukommen. 1990 Weltmeister, 1996 Europameister - Das war die Hochzeit des deutschen Fußballs. Da gab es Spieler wie Möller oder Häßler, die Topstars auf meiner Position waren. Es gab einige gute Spieler, die keine Chance in der Nationalmannschaft hatten, bei denen man aber sagen würde, dass sie ein paar Jahre später bestimmt Nationalspieler geworden wären.
Sie spielten unter großen Trainern wie beispielsweise Erich Ribbeck, Winnie Schäfer oder Jupp Heynckes. Wie sieht Ihre persönliche Top-3 aus, wenn Sie fachliche und menschliche Qualitäten berücksichtigen?
Erich Ribbeck halte ich schon mal nicht für einen großen Trainer. Fachlich ist Jupp Heynckes klar die Nummer eins. Menschlich würde ich sagen, war es Klaus Toppmöller. Meine Nummer drei, würde ich sagen, war Winnie Schäfer, weil er die Spieler immer an der langen Leine gehalten hat und ihnen viel Raum zur Entwicklung gab.
In welchen Stadien waren Sie am liebsten zu Gast und gab es auch Stadien, in denen Sie gar nicht gerne aufgelaufen sind?
Ungerne bin ich immer im Parkstadion in Gelsenkirchen aufgelaufen. Da war alles so offen und es hat gezogen. Da habe ich mich nicht wohl gefühlt. Schön war es in Dortmund, da braucht man nicht drüber reden. In Dortmund zu spielen, ist immer weltklasse. Bochum hatte ein kleines, richtiges Fußballstadion, das war auch sehr schön. Also ich sage mal die reinen Fußballstadien waren generell am besten. In den Stadien mit Laufbahn ist nie so richtig das Flair rübergekommen.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen gerne ein paar alte Weggefährten nennen und Sie darum bitten, aufgrund persönlicher Erlebnisse, etwas zu ihnen zu sagen:
Uli Hoeneß:
Über Uli Hoeneß ist ja eigentlich alles bekannt. Er ist ein Mann mit Handschlagqualität.
Oliver Kahn:
Viele heiße Duelle auf dem Trainingsplatz gehabt und viele Freistöße auf ihn geschossen.
Thomas Häßler:
So wie ihn alle kennen. Immer gut drauf und ein ganz feiner Kerl.
Stefan Effenberg:
Unberechenbar und launisch. Man wusste nie so recht, wo man bei ihm dran war.
Brian Laudrup:
Ein braver Schuljunge damals. Ich glaube, der wusste gar nicht so recht, um was es im Profifußball eigentlich geht. Der wollte einfach spielen und ein paar Leute ausdribbeln.
Alan McInally:
Ein klassischer Schotte. Ein richtig guter Bursche, der immer gut drauf war. Er hatte einen unglaublichen Körper.